Von sich aus nehmen Misshandelte nur selten Kontakt auf

Die Kölner Kriseninterventions- und Beratungsstellen sind mit der Umsetzung des seit 2002 geltenden Gewaltschutzgesetzes zufrieden. Dieses ermöglicht der Polizei, die Namen von Opfern häuslicher Gewalt an Interventionsstellen weiterzugeben, die dann auf diese Personen zugehen

KÖLN taz ■ Mit Gewalt dringt der Mann Ende Juni in die Holweider Wohnung seiner Ex-Ehefrau ein. Er zerrt sie an den Haaren, schlägt sie mit einem Metallstuhl, tritt auf die am Boden Liegende ein. Auf der Intensivstation retten die Ärzte das Leben der 45-Jährigen. Die Kinder, 12 und 14 Jahre alt, mussten die Tragödie mit ansehen. Staatsanwaltschaft und Polizei erwirken einen Haftbefehl gegen den Mann. Es ist der aktuellste Fall von bislang weit über 2.000 Fällen „häuslicher Gewalt“, in denen die Kölner Polizei seit Inkrafttreten des „Gewaltschutzgesetzes“ am 1. Januar 2002 einschritt. Am Montag zogen die Kölner Kriseninterventions- und Beratungsstellen bei einer Podiumsdiskussion bei der Arbeiterwohlfahrt eine erste Bilanz über dessen Umsetzung.

Das Gesetz erlaubt der Polizei, nach Prüfung der Lage den Täter – oder auch die Täterin – sofort für zehn Tage aus der Wohnung zu weisen. Die Staatsanwaltschaft kann dies auf drei Monate ausdehnen. In Köln erhalten Opfer von der Polizei eine Liste der insgesamt 23 Beratungsstellen. Diese treffen sich regelmäßig unter Leitung des Jugendamtes zum Erfahrungsaustausch, auch Polizei, Staatsanwaltschaft, Richter, Sozialamt und Kinderschutzbund sind dabei. „Die Zusammenarbeit läuft hervorragend“, stellte Monika Kleine vom Sozialdienst Katholischer Frauen (SKF) fest, der im Linksrheinischen eine der beiden Interventionsstellen betreibt. Für die zweite im Rechtsrheinischen ist die Diakonie zuständig.

Bewährt habe sich in Köln, so das Fazit der Diskutierenden, dass die Polizei bei einem Einsatz immer frage, ob sie Name und Adresse des Opfers an die Interventionsstellen weitergeben dürfe. Diese würden dann von sich aus in der Regel innerhalb von 24, spätestens aber 72 Stunden den Kontakt aufnehmen. Ein Verfahren, dem sich inzwischen auch die Polizei in Leverkusen angeschlossen hat. Dort hatte man festgestellt, dass die misshandelten Personen von sich aus das Beratungsangebot nur wenig in Anspruch nahmen.

Auf die besonderen Probleme von Migrantinnen wies Slavica Stolica von der Internationalen Familienberatungsstelle der Caritas hin. Gerade sie täten sich schwer, über Gewalt in der Familie zu sprechen, „das ist ein großes Tabuthema“. Dabei seien Menschen mit Migrationshintergrund in etwa 40 Prozent der Fälle häuslicher Gewalt betroffen. Sie warnte allerdings davor, diese Zahl überzubewerten, da die Statistik nichts über Schichtzugehörigkeit oder Nationalität aussage.

Anders als etwa in Berlin, so Renate Blum-Maurice, Geschäftsführerin vom Kinderschutzbund, werden in Köln auch die Belange der Kinder in die Aufarbeitung partnerschaftlicher Gewalt einbezogen. Nicht nur, weil in mehr als jedem zweiten Fall Kinder betroffen sind, sondern auch, weil „Kinder, die Gewalt miterleben, später sieben Mal häufiger selber Gewaltbereitschaft zeigen“, so Blum-Maurice. Die Arbeit der Familienberatungsstellen sei deshalb unbedingt nötig. Um so unverständlicher sei es, dass diese in Köln durch Sparmaßnahmen der Stadt in ihrer Existenz bedroht seien. Jürgen Schön