Rauchwaren

In den Achtzigerjahren wurden jährlich dreißig bis fünfzig Millionen Zigarren hergestellt. Zwei Drittel der Deckblätter für die Spitzenzigarren kamen damals von Robainas Tabakfarm. Bis heute werden die edelsten Havannas mit den großen, feinen Deckblättern von Robainas Finca Vega Cuchilla de Barbacoa bei San Luis im Westen Kubas umwickelt. Doch die Produktion von Zigarren liegt jetzt mehr als doppelt so hoch. Es gab zwischendurch nur eine kurze Unterbrechung: Als Anfang des neuen Jahrtausends die Havanna-Produktion von knapp hundert Millionen Stück auf beinahe hundertsechzig Millionen gesteigert wurde, verringerte sich der Prozentsatz der mit Robaina umwickelten Rauchwaren, denn Qualität lässt sich nun mal nicht beliebig vervielfältigen. Inzwischen ist man in Kuba jedoch wieder auf die übliche Produktionsmenge zurückgefahren, und Robainas Deckblattanteil ist wieder gestiegen.

Alejandro Robaina verliert seinen Besuchern gegenüber – anders, als das in Kuba sonst häufig der Fall ist – kein Wort über die Revolution. Kein Wort auch darüber, dass die Familie Robaina kaum mehr Einfluss hat auf die nach ihr benannte Zigarrenmarke, dass sie keine Rechte am eigenen Namen besitzt und so gut wie nichts an ihm verdient. Und auch nichts darüber, dass wahrlich nicht jede „Robaina“ auch mit einem Robainadeckblatt umhüllt ist. Kommt man darauf zu sprechen, sind es nur die Augen des alten Mannes, die erzählen.

Den Grundstock für das Tabakimperium, das dem kubanischen Staat weit mehr einbringt als den bescheiden lebenden Robainas, wurde 1845 gelegt. 18 Hektar Anbaufläche umfasst die Cuchilla de Barbacoa. 16 Familien leben und arbeiten auf der abgelegenen Farm. Erfahrung ist alles beim Anbau von Spitzentabaken. Doch diese Erfahrung wird nicht schriftlich festgehalten, sie wird vom Vater an Sohn oder Enkel weitergegeben. Vermutlich hat das auch die kubanische Regierung erkannt, als sie in den Achtzigern von ihrem Vorhaben abließ, den Tabakfamilien ihre Felder wegzunehmen. Die besten Tabake kommen nun mal von den Tabakbauern, die seit Generationen ihre Felder bestellen und genau wissen, wann was mit den empfindlichen Tabakpflanzen zu geschehen hat.

Andere Vegas erreichen eine Exportrate ihrer Tabakblätter von rund dreißig Prozent, bei Robaina sind es siebzig. In den Vierzigerjahren hat Alejandro die Finca von seinem Vater übernommen, vor einem knappen Jahr hat er sie an seinen Enkel Hiroshi übergeben. Doch noch immer dominiert der alte Patriarch die Tabakfarm. Kein Mensch auf der Finca würde die Erfahrung des Alten jemals anzweifeln. Mit Ehrfurcht spricht auch der neue Juniorchef vom Großvater.

Dieser nennt drei Gründe für die hohe Qualität seiner Tabakblätter: den Anbau mit der ganzen Hingabe, die Familie, die in der fünften Generation Tabak züchtet und pflegt und umhegt, und den ganz besonderen Boden. Hinzu komme einfach ein handwerklich konsequentes Kontrollsystem mit regelmäßigen Bodenanalysen. Ein Wort noch zur Düngung: Don Alejandro Robaina soll einmal gesagt haben: „Wir gehen wieder zurück auf alte Düngeverfahren.“ Gemeint hat er damit nichts anderes als Pferdemist. Doch die Pferde müssen im Norden der Insel stehen. Im Süden, sagte der Alte, sei der Pferdedung zu salzhaltig und somit für die Tabakpflanzen ungeeignet. KW