„Löwe der Wüste“ mit bunter Vergangenheit

Iyad ag Ghali, der Malis Tuareg-Revolten der 90er-Jahre begann und beendete, soll jetzt Malis Geiselkrise lösen

Die Regierungen in Berlin und Bamako setzen auf seine Vermittlungskünste ebenso wie die Familien der 14 entführten Touristen. Vom Verhandlungsgeschick des malischen Tuareg-Führers Iyad Ag Ghali hängt es ab, ob das Drama um die seit Monaten in der Sahara-Wüste gefangen gehaltenen europäischen Touristen doch noch eine friedliche Lösung findet – oder ob es zum Blutbad kommt. Für Malis Tuareg, die sich seit Jahrzehnten diskriminiert sehen, bietet dies eine ungeahnte Chance, ihren Einfluss unter Beweis zu stellen.

Geboren wurde Iyad ag Ghali 1956 im Adrar-Gebirge, das in Malis Nordostregion Kidal die Grenze zu Algerien bildet. Sein Vater war ein traditioneller Führers des Iforas-Stammes, der bei einer Tuareg-Revolte 1963 direkt nach Malis Unabhängigkeit zum Kampf für die Regierungsseite gezwungen war und von den Rebellen erschossen wurde. Uneindeutigkeit in der politischen Loyalität markiert auch die Karriere des Sohnes, der bei der letzten großen Tuareg-Revolte 1994 von radikalen Rebellen als Verräter denunziert wurde.

„Wir haben einen richtigen Völkermord erlebt“, erinnerte sich Iyad ag Ghali später an die 60er-Jahre, als Malis Armee erbarmungsloses Kriegsrecht walten ließ. Wie viele seiner Zeitgenossen zog es ihn daraufhin nach Libyen, wo er sich der „Islamischen Legion“ des Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi anschloss, einer Art Fremdenlegion Libyens. Er soll als Söldner im Tschad aktiv gewesen sein und diente 1982 als Führer eiens 200 Mann starken Kontingents malischer Tuareg bei der PLO im Libanon im Krieg gegen Israel. „Dieser Krieg hat mich tief geprägt“, sagte Iyad ag Ghali später.

1987 wurde er Generalsekretär einer Exilorganisation malischer Tuareg, der „Volksbewegung Azawad“ (MPA), benannt nach dem Tuareg-Namen für ihr Siedlungsgebiet in der Sahara. Die MPA war ab 1990 die erste Tuareg-Bewegung, die den bewaffneten Kampf für Autonomie in Mali aufnahm. Sie schloss unter Ghalis Führung 1991 ein Friedensabkommen mit der Regierung. Dessen Nichtumsetzung führte in den Jahren darauf zur Gründung mehrerer radikalerer Tuareg-Rebellenarmeen. Zum Höhepunkt des Bürgerkrieges in Mali 1994, als die Kämpfe zwischen Tuareg-Rebellen und Armee in ethnische Pogrome schwarzafrikanischer Völker gegen Tuareg, Mauren und Araber insgesamt umzukippen drohten, bekämpften radikale Tuareg die MPA. Aber sie handelte später den Frieden mit aus, der 1996 bei einer feierlichen Verbrennung mehrerer tausend Gewehre in Timbuktu besiegelt wurde.

Iyad ag Ghali wurde danach Präsidentenberater und wagte sich mit wechselndem Erfolg in die Tourismus- und Goldbranche vor. „Er schwor der ethnizistischen Politik ab und widmete sich dem Studium des Korans“, sagt der deutsche Ethnologe und Tuareg-Kenner Georg Klute.

Für Malis Regierung ist Ghali der Tuareg-Führer, der den Frieden im Norden Malis gewahrt hat und für seine Aufrechterhaltung sorgt. Das macht ihn jetzt, bei der ersten großen Krise in der Region seit Ende der Tuareg-Revolten, zum geborenen Unterhändler mit den Geiselnehmern. „Ihn als Vermittler einzusetzen, war ein sehr geschickter Schachzug, denn er genießt die Anerkennung der Armeeführungen Malis und Libyens“, meint Klute. Und in Bamako kam ein Spitzname in Umlauf: „Löwe der Wüste“. DOMINIC JOHNSON