Donnergrollen über der Steppe

Außenminister Fischer fordert sichtbare Trendwende in Darfur und droht Sudan harte Sanktionen an. Die EU-Kollegen sekundieren ihm nicht

AUS KHARTUM DOMINIC JOHNSON

Harmonie war nicht angesagt beim Blitzbesuch von Außenminister Joschka Fischer im Sudan am Montag, und Harmonie gab es auch keine. Von „Druck machen“ und „die Temperatur erhöhen“ war von deutscher Seite vorab die Rede, und nicht nur Khartums 40 Grad im Schatten sorgten dafür, dass es auch so kam. „Wir haben eine ernste und sehr offene Diskussion gehabt“, erklärte Fischer hinterher auf der Pressekonferenz mit seinem sudanesischen Amtskollegen Mustafa Ismail Osman, „und wir hoffen, dass wir in Zukunft Ergebnisse sehen werden“.

Mit anderen Worten: Bisher hält Sudans Regierung ihre Zusagen zur Lösung der Krise in der westsudanesischen Region Darfur nicht ein. Seit Frühjahr 2003 haben regierungstreue Milizen, die so genannten Dschandschawid, in Darfur mit Unterstützung der Regierungsstreitkräfte über 1,2 Millionen Menschen vertrieben und hunderte Dörfer dem Erdboden gleichgemacht. Dies bewege sich laut UN-Generalsekretär Kofi Annan „n der Grenze zur ethnischen Säuberung“.

Nach Angaben unabhängiger Quellen dauern die Vertreibungen im Süden Darfurs an. Ein erster Waffenstillstand zwischen Sudans Regierung und den Darfur-Rebellen im April blieb folgenlos, die im Mai gewährte Lockerung der Einreise nach Darfur für Hilfswerke hat die Nothilfe für Vertriebene zwar erleichtert, den Krieg aber nicht gestoppt.

Im Juni drohten die USA mit Sanktionen. Daraufhin vereinbarte Sudans Regierung am 3. Juli mit Kofi Annan unter anderem, sofort mit der Entwaffnung der Milizen zu beginnen und eine „starke und glaubwürdige“ Polizeitruppe zu entsenden, um Sicherheit für die Vertriebenen zu gewährleisten. Wie das aussieht, ist in Sudans TV-Nachrichten zu beobachten: Endlose Kolonnen uniformierter Männer mit patriotischen Parolen auf den Lippen marschieren unter flatternden Fahnen. „In drei Monaten wird diese Streitkraft Recht und Ordnung wiederherstellen“, sagt ein General. Nicht sehr beruhigend für die Opfer in Darfur.

Die Umsetzung der Vereinbarung mit Annan ist dennoch Hauptziel von Fischers Sudan-Diplomatie. „Sichtbare Zeichen“ seien vonnöten, hieß es vorab in deutschen Delegationskreisen; eine Verbesserung der Lage reiche nicht aus, sondern eine „Trendwende“ müsse zu erkennen sein. Sonst verhandelt der UN-Sicherheitsrat ab dem kommenden Wochenende erneut über Sudan-Sanktionen. Der letzte Woche von den USA eingebrachte Resolutionsentwurf sieht sofortige Sanktionen gegen die Dschandschawid-Milizenführer vor, die nach 30 Tagen auf Regierungsmitglieder ausgedehnt werden könnten.

Der deutsche Minister setzt dies als Drohkulisse ein: „Wenn wir vorankommen, wird der UN-Sicherheitsrat das würdigen. Wenn nicht, werden die Diskussionen noch viel ernster.“ Der sudanesische Minister nutzt die Drohung als Blitzableiter: „Für Sanktionen gibt es keine rechtliche oder moralische Grundlage. Solange wir das Abkommen mit dem UN-Generalsekretär haben und es umsetzen, sollten wir das tun, und andere sollten uns dabei helfen“. Am 17. Juli und 1. August stünden Evaluierungen der Umsetzung des Abkommens an: „Wieso also die Dinge überstürzen?“ Und zum Schluss eine Drohung: „Wenn ihr meint, wir können das nicht, ziehen wir aus Darfur ab, und ihr könnt kommen und das machen.“

Das ist Theaterdonner ohne Folgen – denn Europa gibt im Sudan ein eher klägliches Schauspiel ab. Bei ihrem Montagstreffen in Brüssel verabschiedeten die EU-Außenminister eine wachsweiche Erklärung zum Sudan, die keine Sofortmaßnahmen und nicht einmal Hilfe für die AU-Schutztruppe beinhaltet. Wenn sich die Lage der Menschen in Darfur nicht „in der nahen Zukunft“ verbessere, heißt es da lediglich, „wird die EU weitere Maßnahmen erwägen“. Deutschland hatte eine härtere Position gewollt, kam aber nicht durch. Kann das daran gelegen haben, dass der Bundesaußenminister im Sudan war, statt sich um Sudan zu streiten?

Der deutsche Außenminister war der Erste in einer Sommerserie europäischer Außenminister: Ende Juli kommt Michel Barnier aus Frankreich nach Khartum, im August Jack Straw aus Großbritannien. Bis dahin, fürchten Menschenrechtler, werden die Vertreibungen in Süddarfur abgeschlossen.