Keine Hüfte für 20-Jährigen

Weil er Bangladescher ist, muss ein junger Mann auf ein neues Gelenk verzichten

BERLIN taz ■ Ein Sozialamt darf ein neues Hüftgelenk verweigern, wenn der Patient unter das Asylbewerberleistungsgesetz fällt. Das hat das Verwaltungsgericht Gera in Thüringen gestern entschieden.

Jakir H. ist Flüchtling aus Bangladesch und leidet unter einer Hüftgelenknekrose, bei der sich die Köpfe des Hüftgelenkes auflösen. Der Zwanzigjährige, der vor drei Jahren in Deutschland einen Asylantrag gestellt hatte, kann sich deshalb nur unter Schmerzen bewegen und ist seit Anfang diesen Jahres auf einen Rollstuhl angewiesen. Eine medizinische Gutachterin hatte eine Behandlung mit starken Schmerzmitteln und entzündungshemmenden Medikamenten für zumutbar befunden. Ein neues Hüftgelenk würde ihm hingegen ermöglichen, für mindestens zehn Jahre wieder laufen und arbeiten zu können.

„Wir haben Jakir H. in einem erbärmlichen Zustand vorgefunden,“ sagt Christel Wagner-Schurwarz von der antirassistischen Beratungsstelle Abad in Gera. Lediglich zwei Stunden pro Tag sei ihm in der Gemeinschaftsunterkunft ein Rollstuhl zur Verfügung gestellt worden. „Eine Sozialarbeiterin behauptete, der Mann könne sonst mit dem Rollstuhl flüchten.“ Erst ein aus privaten Spenden finanzierter Rollstuhl bringt Jakir H. seit März mehr Unabhängigkeit.

In der Gerichtsverhandlung sagte Jakir H. aus, sein letzter Arztbesuch liege mehr als drei Monate zurück. Seitdem hole die Sozialarbeiterin des Heimes die Rezepte in der Arztpraxis ab und teile ihm die Medikamente zu. Christel Wagner-Schurwarz: „Ich halte es für einen Skandal, dass das Sozialamt in Greiz heute schon die Fahrkosten zum Arzt spart, was die Gesundheitsreform von morgen nicht einmal verlangt.“ Wegen der starken Medikamente sei laut Gutachten regelmäßige Kontrollen der Leber- und Nierenwerte des Mannes nötig. MARINA MAI