Kölner Müll bleibt ungenutzt

In Köln wird zu wenig Sperrmüll recycelt, klagt der Gebrauchtwarenhandel. Den Grund dafür sehen Experten in der überdimensionierten Kölner Müllverbrennungsanlage, die „gefüttert“ werden will

VON STEFANIE LIEBL

3.280 Tonnen Sperrmüll holen die im Verbund gemeinnütziger Kölner Möbellager zusammen geschlossenen Vereine jährlich kostenlos aus den städtischen Haushalten ab. 75 Prozent davon werden durch den Gebrauchtwarenhandel der Vereine aufgearbeitet und weiter verkauft. Ob der Verbund mit diesem gemeinnützigen Projekt in den Abfallwirtschaftsplan der Stadt Köln aufgenommen werden kann, darüber soll in der Ratssitzung am 20. Juli beraten werden.

„Es wird mit Sicherheit schwierig, unser Projekt für die Stadt interessant zu machen“, meint Wolfgang Corsten, Geschäftsführer des Verbundes gemeinnütziger Kölner Möbellager, bei einer Diskussion der Möbellager in Mülheim. „Das Recycling-Geschäft ist in Köln bislang nur mühsam durchsetzbar.“ Ein möglicher Grund dafür: Die im „Kölner Müllskandal“ viel diskutierte und nach Expertenmeinung zu groß geratene Restmüllverbrennungsanlage (RMVA) in Niehl muss von den Abfallwirtschaftsbetrieben (AWB) zusätzlich mit Sperrmüll „gefüttert“ werden, um ihre Kapazität zumindest halbwegs auszufüllen.

„Die Müllverbrennungsanlage ist zu groß für das, was jährlich wirklich an Müll in den Kölner Haushalten anfällt“, sagt Werner Rügemer, der sich als Autor des Buches „Colonia Corrupta“ bis ins kleinste Detail mit der RMVA auseinander gesetzt hat. So sei die Anlage für rund 650.000 Tonnen Hausmüll gebaut, „aber nur 420.000 Tonnen Müll fallen in Köln jährlich überhaupt an“, sagt er weiter. Für Wolfgang Corsten ist es daher „nachvollziehbar“, warum ihr Recycling-Projekt bislang fast nur auf verschlossene Ohren stößt.

„Die RMVA braucht einfach alles, was brennt, um ihre Öfen zu füllen, und dazu eignet sich Sperrmüll natürlich hervorragend“, so Corsten. „So stehen wir mit unserer Recycling-Arbeit ja gewissermaßen in Konkurrenz zur Verbrennungsanlage, weil wir ihr ‚Futter‘ nehmen und wieder aufbereiten.“

Dabei sei das Projekt eines der sinnvollsten, was Köln zum Thema Ökologie überhaupt zu bieten hat, meint Lothar Schneider, Fachmann für Recycling an der Kölner Universität, zur Notwendigkeit der Arbeit gemeinnütziger Möbellager. Denn die Vereine schaffen es, inzwischen jährlich acht Prozent des Kölner Gesamtsperrmülls zu sammeln und weiter zu verwerten. Als „erschütternd“ bezeichnet es der Dozent, dass der durch die AWB gesammelte Sperrmüll zu 100 Prozent in der RMVA verbrannt werde. „Zum Vergleich werden in Bonn nur knapp 50 Prozent des Gesamtsperrmülls der Verbrennung zugeführt“, so Corsten.

So müssen die gemeinnützigen Möbellager förmlich um ihren Sperrmüll kämpfen. „Die AWB sammelt jährlich circa 35.000 Tonnen Sperrmüll ein. Rechnet man unseren Teil von rund 3.000 Tonnen noch dazu, sind das insgesamt 38.000 Tonnen Sperrmüll, der jährlich in Köln anfällt. Wenn wir es alleine schaffen, von unserem verhältnismäßig geringem Sperrmüll-Anteil knapp 80 Prozent weiter zu verwerten, was wäre dann erst möglich, wenn uns die AWB noch mehr Kapazitäten überantworten würde“, so Corsten.

Die Arbeit der Möbellager könnte nicht nur einer umweltbewussteren Kölner Abfallwirtschaft zugute kommen, ihre Arbeit dient auch sozialen Zwecken: Um die Trennung und Wiederverwertung des gesammelten Sperrmülls bewerkstelligen zu können, beschäftigen die einzelnen Vereine im Verbund gemeinnütziger Möbellager Langzeitarbeitslose und Obdachlose, lassen sie am Arbeitsleben teilhaben und qualifizieren sie weiter. „Wir können bei der Verarbeitung von 3.000 Tonnen Sperrmüll im Jahr 120 Menschen beschäftigen, die auf dem normalen Arbeitsmarkt keine Chancen mehr hätten“, sagt Corsten. „Und wir könnten ökologisch, aber auch sozial noch viel mehr schaffen, wenn uns die Stadt den Rücken stärken, für uns mit der AWB in Verhandlungen treten und Druck ausüben würde.“