Vergrämte Schwäne

Senatsentwurf soll Jagdrecht von 2000 neu regeln. Nabu glaubt nicht an Wildschäden. GAL kritisiert arten- und tierschutzfeindlichen Entwurf

„Weder Bauern noch Senat haben bisher das Ausmaß der Wildschäden dokumentiert“

von Claudia Hangen

Im Winter versammeln sich die naturgeschützten Sing- und Zwergschwäne aus Skandinavien mit den Hamburger Hockerschwänen auf Alster und Elbe: ein Schwanenidyll. Doch damit ist es bald vorbei. Mit Eröffnung der Jagdsaison will der Senat das Feuer auf Höckerschwäne, Ringeltauben, Elstern und Rabenvögel freigeben.

Den Entwurf zur Neuregelung des Jagdrechts vom 16. Juni begründet der Senat mit dem Argument, dass die vier Vogelgruppen Äcker und Gemüsefelder landwirtschaftlich erheblich schädigten. Dies will Sven Baumung, Vogelexperte des Hamburger Naturschutzbunds Nabu, nicht glauben. „Weder Bauern noch Senat haben bisher das Ausmaß der Wildschäden dokumentiert“, erklärte er gestern auf einer Pressekonferenz im Hamburger Rathaus. Seiner Ansicht nach sei nicht nachweisbar, wie viele Schwäne wann und wo über welche Felder herfielen.

Mit der Freigabe der Jagd könnten die Tiere rein „prophylaktisch“, das heißt grundlos, geschossen werden. Im Jahr 2002 seien in Altengamme bereits 15 Höckerschwäne nach der Sonderregelung unnötig abgeschossen worden, so der Nabu – angeblich hatten sie Schäden in einem Rapsfeld angerichtet. Jäger hätten tote Schwäne „zur Vergrämung“ für andere Schwäne am Seeufer liegen lassen, ohne dass die Kadaver andere Wasservögel verscheucht hätten. Wasserenten vergifteten sich mit den auf der Wiese und am Teichgrund liegen gebliebenen Bleikugeln, die sie fälschlicherweise für Magensteine gehalten hatten.

Er habe Rapsfelder über ein Jahr mit der Kamera beobachtet und dabei keinerlei Pflanzenfraß festgestellt, berichtete Baumung. Auch der Bauer habe auf Nachfrage keine Mängel beanstandet. Schwäne seien vielmehr Nützlinge für Rapsfelder, da sie nur die im Winter vergilbenden Außenblätter der Pflanze, nicht aber den Vegetationsstengel verzehrten. Die Stengel würden von Hasen und Rehen gefressen.

Auch der umweltpolitische Sprecher der GAL-Fraktion Christian Maaß hält den Senatsentwurf für „arten- und tierschutzfeindlich“. Entgegen der EU-Bestimmung zum Schutz von Vögeln in der Brutzeit dürften nach der neuen Verordnung – Absatz 2.2 – „Ringeltauben im guten Erhaltungszustand“ gerade in der Hauptbrutzeit von Anfang Juli bis Ende August gejagt werden. Auch die Vorstellung des Senats, dass der Jäger auf dem Feld zwischen den zu schonenden, brütenden und den abschussfreien, nicht geschlechtsreifen Ringeltauben unterscheiden könne, hält Maaß für „abwegig“. Außerdem würden durch Schrotkugeln immer auch Muttertiere getroffen, „die sich dann nicht mehr um die Jungen in den Nestern kümmern können, die elendig verhungern“.

Nicht anders erginge es dann den seltenen Sing- und Zwergschwänen, die beim Abschuss der Höckerschwäne den Jägern ebenfalls zum Opfer fielen. Die Wirtschaftsbehörde, so der Vorwurf von Maaß, gebe „dem Verlangen der Jäger nach, möglichst viele Tiere vor die Flinte zu bekommen“. Die GAL tritt deshalb für ein komplettes Jagdverbot für Höckerschwäne und Ringeltauben ein und schlägt vor, betroffene Bauern aus einem bereits vorhandenen Fonds zu entschädigen.

Der langjährige Sprecher des Naturschutzamtes Günther Helm bezeichnet auch die geplante Elsternjagd als „totalen Blödsinn“, da Elstern auf Feldern nicht, wie Bauern häufig vermuten, die Saat, sondern die schädlichen Mückenlarven fräßen. Zudem würden „die Nützlinge“ im Stadtgebiet den zunehmenden Amselbestand zu regulieren helfen, so Helm.