In den nahen Osten

Firmenschwund: Die großzügige Wirtschaftsförderung in ostdeutschen Ländern macht dem ehemaligen Zonenrand im Westen schwer zu schaffen

„Wir haben uns für den Standort Deutschland entschieden“ – und kassiert

aus HannoverKai Schöneberg

„Geh doch nach drüben“ höhnten Strammrechte zu Honeckers Zeiten, wenn einer zu doll mäkelte. Inzwischen gehen die Mäkler tatsächlich – und es ist auch nicht gut. Immer mehr Firmen aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein überspringen derzeit eine unsichtbare Linie namens Fördergefälle West-Ost. So entstehen in einigen Gebieten Sachsen-Anhalts und MeckPomms tatsächlich „blühende Landschaften“ – auf Kosten des ehemaligen Zonenrandgebiets im Westen.

Rainer Metschke, Wirtschaftsförderer in Helmstedt (Niedersachsen), kann die Fördergrenze fast zu Fuss erreichen. Er ist froh über die Öffnung der Grenzen, aber der Förderpoker frustriert ihn. „Drüben“ in Sachsen-Anhalt werden Investitionen nämlich derzeit mit etwa 43 Prozent bezuschusst – plus Steuervorteile macht das real gut die Hälfte. Metschke darf hingegen nur 28 Prozent gewähren. Das zieht: Viele Firmen aus Helmstedt zogen schon in die einstige „Zone“, zum Beispiel nach Harbke in Sachsen-Anhalt.

Eine Firma, die Edelstahltanks fertigt, machte „rüber“, eine Seifenmaschinenfabrik, eine Glasbaufirma, ein Ingenieurbüro und andere zogen nach, kassierten heftig Fördermittel – und nahmen mehrere hundert Jobs mit. „Das hat richtig weh getan“, sagt Metschke. Während Niedersachsen pro Jahr 160 Millionen Euro Fördergelder zu verteilen hat, stehen in Sachsen-Anhalt 650 Millionen zur Verfügung. Nun soll das Ungleichgewicht noch krasser werden.

Das bringt derzeit ausgerechnet einen echten Liberalen auf die Palme: Niedersachsens Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) schrieb gerade an seinen Berliner Kollegen Wolfgang Clement (SPD), um für Subventionen einzutreten. Konkret protestiert Hirche gegen die angekündigte Streichung der so genannten GA-Mittel des Bundes. Dahinter verbirgt sich die „Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ – und ein dicker Fördertopf, gut 120 Millionen Euro. Im kommenden Jahr wären das 40 Millionen Mark allein für Niedersachsen. Da an die GA-Mittel EU-Gelder gekoppelt sind, könnten dem Land 2004 also etwa 80 Millionen Euro verloren gehen. Der Wegfall der GA-Mittel wären ein „harter Schlag“ für Regionen wie Goslar, Uelzen, Osterode oder Helmstedt, meint Hirche.

Aufgehorcht haben alle, als der Braunschweiger Helm-Hersteller Schuberth kürzlich ankündigte, sich gen Magdeburg zu verabschieden. Für 17,5 Millionen Euro baut der Ausrüster von Michael Schumacher dort direkt an der A 2 eine neue Fertigungshalle. Etwa 300 Jobs samt Gewerbesteuereinnahmen gehen den Braunschweigern so verloren. Der Schuberth-Geschäftsführer meint nur: „Wir haben uns für den Standort Deutschland entschieden“ – und kassiert: Sachsen-Anhalt zahlt für den Umzug sieben Millionen Euro.

Eine Verzerrung des Wettbewerbs und volkswirtschaftlicher Irrsinn, meinen viele. Wirtschaftsförderer Metschke in Helmstedt wird beim Gedanken an den Wegfall der GA-Mittel nur noch besorgter um die Zukunft der Stadt. Denn er hat in den vergangenen Jahren keine echten Ansiedlungen in Helmstedt mehr erlebt, die Ostler schon. „Wenn die Förderung für alle komplett gestrichen würde, wäre das in Ordnung“, sagt Wirtschaftsförderer Metschke. „Aber wenn drüben der Satz bleibt und wir hier auf Null sinken, ist es katastrophal.“