BEI DER IRAK-ENTFÜHRUNG KANN MANILA NICHT SEIN GESICHT WAHREN
: Die Realität der Schwäche

Bei Entführungen hat sich meist das Prinzip durchgesetzt, Forderungen nicht nachzugeben und dafür lieber das Leben Entführter zu riskieren. Denn das Eingehen auf Forderungen würde eine Regierung nur erpressbar und damit neue Entführungen wahrscheinlich machen. So weit die Theorie.

Die Praxis sieht anders aus. Und gerade die Philippinen haben mit Entführungen viel Erfahrungen. Angesichts verschiedenster bewaffneter Gruppen im Land und korrupter Sicherheitskräfte konnte es sich die philippinische Regierung noch nie leisten, stur an hehren Prinzipien festzuhalten. Das ist sicher ein Zeichen von Schwäche, aber eben auch für Realitätssinn. So entstand in den Philippinen der Modus, hinter den Kulissen zu verhandeln und im Tausch gegen die Geiseln letztlich eine Art Lösegeld zu zahlen, das, um das Gesicht wahren zu können, so nicht genannt wird.

Ähnlich wurde auch der Fall der deutschen Familie Wallert gelöst, als eine libysche Stiftung vermittelnd zahlte und die Bundesregierung Entwicklungshilfe zusagte. Die 51 philippinischen Soldaten im Irak, deren Abzug die Entführer fordern, waren nur ein symbolischer Beitrag zur Untersützung des US-Krieges. Die von Hilfe aus Washington abhängige philippinische Regierung konnte sich US-Forderungen nach Beteiligung offenbar nicht verschließen. Aber auch Angehörige der vielen im Ausland lebenden Filipinos sind in der Heimat ein wichtiger Machtfaktor, den die gerade mit knapper Mehrheit im Amt bestätigte Regierung von Präsidentin Arroyo nicht ignorieren kann.

Der um wenige Wochen vorgezogene Abzug eines ohnehin nur symbolischen Kontingents mag das falsche Signal an Entführer sein und künftige Entführer ermuntern. Aber er zeigt innenpolitisch, dass Manila das Leben eigener Bürger wichtiger ist als die Teilnahme an einem falschen US-Krieg. Manilas Pech ist, dass die Entführer kein Geld wollten, sondern eine Umkehr der Symbolik: den Abzug fremder Truppen aus dem Irak. Für die innen- wie außenpolitisch schwache philippinische Regierung gibt es deshalb in dieser Situation keinen das Gesicht wahrenden Ausweg. SVEN HANSEN