Der coole Typ beim Wettschubsen

Union Berlin verliert das Berlin-Brandenburg-Derby gegen Energie Cottbus mit 0:1. Die Spieler rangeln selbst nach dem Abpfiff auf dem Platz. Nur Ronny Nikol, frisch von Union zu Energie gewechselt, bleibt in all dem Trubel gelassen

Elfmeter. Platzverweis. Spielertrauben. Das Berlin-Brandenburg-Derby zwischen Union Berlin und Energie Cottbus war ein überaus hitziges Spiel. Mit der Hitze hatte das aber nichts zu tun. Die Spieler beider Mannschaften gingen mit einer Aggressivität und Härte zu Werke, wie sie ansonsten nur bei einem Kellerduell kurz vor Saisonende an den Tag gelegt werden. Dabei wurde erst der zweite Spieltag der zweiten Fußball-Bundesliga geschrieben. Am Ende der Treterei hatte Union 0:1 gegen den Bundesligaabsteiger aus der Lausitz verloren.

Kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit wurde spätestens nach der dritten Anspielstation nach dem Bein eines Spielers gegrätscht. Das lag an einer Szene, die zur roten Karte für den Neu-Unioner Frederic Page geführt hatte. Der hatte im Strafraum ohne Rücksicht auf Verluste Richtung Gästetorwart Tomislav Piplica durchgezogen, um einen Rückpass abzufangen. Piplica flog durch die Luft und wurde lange behandelt. Die meisten Zuschauer waren sich jedoch sofort sicher, dass Piplica nicht getroffen worden war und seine Verletzung nur simulierte. Piplicas Trikot dürfte am Ende mehr nach Bier als nach Schweiß gerochen haben. Etliche noch wohl gefüllte Becher hatten ihn getroffen.

Selbst nach dem Abpfiff gingen einige Unionspieler noch einmal auf den Gästekeeper los. Beinahe schien es, als wolle auch Vereinspräsident Heiner Bertram sich an dem Handgemenge beteiligen. Cottbusser Spieler und Unioner schubsten sich um die Wette.

Nur einer stand am Rande des Geschehens und gab die coole Nummer nach einem heißen Spiel. Ronny Nikol, der Neu-Cottbusser, der vor Saisonbeginn von Union zu Energie gewechselt war, wirkte so souverän, wie man ihn aus seinen Zweitligaspielen für die Berliner kennt. Er war in keine der zahllosen Streitereien verwickelt, kein überhartes Foul ging von ihm aus. Zwar hatte er nicht allzu viele Ballkontakte, doch ein Fehler unterlief ihm nicht. Beinahe wirkte Nikol mit seinem unaufgeregten Spiel wie ein Fremdkörper auf dem Kampfplatz Alte Försterei. Vielleicht ist es aber genau diese solide Leistung, die letztlich half, den Vorsprung nach einem Foulelfmetertor von Laurentiu Rheghecampf (21. Minute) zu verteidigen. Ein wenig merkwürdig klang auch seine Sicht auf die Begegnung. „Es war ein schönes Spiel“, meinte er nach dem Abpfiff. Er scheint angekommen zu sein in seiner neuen Heimat.

Der Berliner, der erst mit 16 Jahren bei Elektroapparatewerk Treptow zum Fußballsport kam, war so etwas wie der Hausspieler bei Union. 66-mal lief er für die Eisernen in der Zweiten Liga auf. Immer unaufgeregt, meistens solide. Nikol war auf dem besten Weg, eine Union-Identifikationsfigur zu werden. Nach dem Spiel schob er nicht selten seinen Sohn im Kinderwagen über den Trainingsplatz, seinen Freunden und allen, die ihm zunickten, warf er lässige Grüße zu. Er war zu Hause bei Union. Und dennoch unterschied ihn etwas von seinen Mitspielern. Er war Mitte der abgelaufenen Saison einer der wenigen Spieler, die es nicht nötig hatten, einen Vertrag bei Union zu verlängern, der erhebliche Gehaltseinbußen bedeutet hätte. Nikol hatte Kontakt zu mehreren ehrgeizigen Zweitligavereinen.

Gelandet ist er schließlich in Cottbus, was zeigt, dass der FC Energie in der zweiten Liga nicht das Aschenputtel ist, das die Lausitzer in Liga eins zwei Jahre lange gegeben hatten. Man kann da wohl ganz gut verdienen. Seine Coolness in alle der Hektik aber hatte einen anderen Grund: „Ich kenne eben die Atmosphäre, da regt man sich doch nicht mehr auf.“ ANDREAS RÜTTENAUER