Nicht mehr als ein süßer Etikettenschwindel

Die milliardenschweren Unterstützungen für die europäischen Rübenbauern werden neu geregelt – damit auch die Konkurrenz aus armen Ländern eine Chance auf dem Weltmarkt hat. Tatsächlich wird aber jede Kürzung entschädigt

BERLIN taz ■ Den europäischen Rübenbauern geht es prächtig. Mit ihrem Zucker überschwemmen sie den Weltmarkt. Dabei können die Konkurrenten etwa in Brasilien auf ihren Zuckerrohrplantagen viel billiger produzieren. Das soll sich nun ändern, die enormen Exporte etwa aus Frankreich oder Deutschland gestoppt werden. Gestern stellte EU-Agrarkommissar Franz Fischler den entsprechenden Brüsseler Vorschlag zur Reform des Zuckermarktes vor.

Die Rübe garantiert den europäischen Bauern bisher besonders hohe Gewinne. Denn ein ausgeklügeltes System von Schutzzöllen und Garantiepreisen schottet ihren Markt seit Ende der Sechzigerjahre gegen billigere Importe ab. Zwar gibt es die hohen Preise – sie sind dreimal so hoch wie auf dem Weltmarkt – nur nur für eine festgelegte Menge an Rüben. Die ist aber so groß, dass die Produktionskosten gedeckt sind. Jede darüber hinaus angebaute Rübe bedeutet zusätzlichen Gewinn, selbst wenn sie zu Weltmarktpreisen abgesetzt wird. Und so produzieren die Bauern weit über den Bedarf der EU hinaus.

Für die hohen Zuckerpreise zahlen die europäischen Konsumenten. Auf satte 6,3 Milliarden Euro pro Jahr bezifferte der EU- Rechnungshof den Preis für die Verbraucher.

Das „Dumping“ von Zucker auf den Weltmarkt bescherte der EU eine Klage bei der Welthandelsorganisation (WTO). Hauptkläger ist dabei Brasilien. Dieser Konflikt lastet schwer auf den derzeitigen WTO-Verhandlungen über ein internationales Agrarabkommen, in denen Brasilien als Sprecher der Entwicklungsländer eine große Rolle spielt. „Die Refom des europäischen Zuckermarktes ist auch ein Zugeständnis an Brasilien“, sagte Roger Peltzer, Sprecher der AG Nord-Süd der Grünen. Im Gegenzug erwarte die EU vermutlich, dass Brasilien seine Klage zurückzieht und sich bei den WTO-Verhandlungen über Industriegüter weniger unnachgiebig zeigt.

Der Vorschlag der Kommission sieht nun vor, die Produktionsmengen um ein Sechstel zu drosseln. Die Preise sollen um ein Drittel gesenkt werden. Tatsächlich ändert sich für die Rübenbauern aber nur wenig: Sie sollen eine deftige Entschädigung erhalten – und zwar genau in der Höhe der bisherigen Exportunterstützung von rund 1,35 Milliarden Euro pro Jahr. Auch an die Zuckerfabriken wurde gedacht. Sie werden mit 250 Euro je Tonne Zucker, den sie weniger herstellen, kompensiert. An eine Entschädigung derjenigen, die eine geringe Lobby haben, wurde bisher nicht gedacht. Denn: Schon heute dürfen einige Entwicklungsländer, die so genannten AKP-Saaten, zu EU-Marktpreisen nach Europa exportieren. Ob sie für die nun niedrigeren Preise einen Ausgleich erhalten, ist bisher nicht betimmt.

Südzucker, einer der größten Zuckerproduzenten Europas, hat schon im Voraus gedroht, deutsche Werke zu schließen. Nordzucker-Vorstand Ulrich Nöhle hält 100.000 Arbeitsplätze in Deutschland für gefährdet. „Das ist Panikmache“, kontert der Sprecher der EU-Kommissions-Vertretung in Berlin, Harald Händel. Kräftigen Rückenwind erhält Fischler von der zuckerverarbeitenden Industrie: Süßwarenhersteller und Großbäckereien bemängeln „die kartellähnlichen Strukturen des Zuckersektors mit garantierten Gewinnen“.

Das neue Förderungssystem soll schon ab Juli 2005 greifen. Kommenden Montag wird nun der Ministerrat erst mal darüber beraten. MICHAELA KRAUSE