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Ghostwriter des Comandante

Der international bekannte linke Journalist Ignacio Ramonet hat sich schon als Chef der Le Monde Diplomatique einen Namen gemacht. Als Sekretär des politischen Vermächtnisses Fidel Castros könnte er in die Annalen eingehen

„Er ist in der Politik, was Picasso in der Malerei war“, sagt Ignacio Ramonet über Fidel Castro. „Er ist einfach sehr originell und kreativ“, lobt der ehemalige Direktor der in Paris erscheinenden Monatszeitung für internationale Politik Le Monde diplomatique den bärtigen Comandante.

Den kennt er wie wenige andere. Hundert Stunden hat ihm Kubas máximo líder gewährt, um Ramonet seine eigene Geschichte zu erzählen. Hundert Stunden, um zu fragen, um einem Phänomen auf die Schliche zu kommen und um sorgsam abgeschirmte Facetten des bärtigen Revolutionärs aufzudecken. Zeit, um mehr als einen Blick in das Privatleben Castros zu werfen und um einer der wenigen charismatischen Figuren des letzten Jahrhunderts näher zu kommen.

Näher gekommen ist Ramonet der bärtigen Revolutionsikone ohne Zweifel, denn er hat Fidel Castro zum Reden gebracht und ihm dabei so manches historische Detail entlockt. Das aber ist keine große Kunst, denn Castro ist der einzige ernst zunehmende Historiker der kubanischen Revolution, denn schließlich ist es seine ganz private Revolution. Diesem Eindruck kann man sich jedenfalls nicht erwehren, wenn man in „Fidel Castro. Mein Leben“ liest.

Da erzählt nicht Ramonet, sondern Castro und Ramonet scheint eher als Schriftführer der Revolution und als willfähriger Stichwortgeber zu wirken. Mit Sätzen wie: „Viele Leute vermissen Sie in der Funktion des Oppositionellen Nummer eins“, bereitet er das Terrain für den Comandante. Der bestätigt pflichtgemäß, dass er „immer der Oppositionelle Nummer eins war“, und wenig später darauf hinweist, dass in Kuba „die Anweisung bestehe, dass jede gegnerische Meinung immer auch ihren Platz haben muss“.

Ein makabrer Satz, der nicht so recht zu der Tatsache passen will, dass die Zahl der politischen Gefangenen in Kuba laut Menschenrechtsorganisationen sich auf derzeit 205 beläuft. Er passt auch nicht zu der Tatsache, dass unabhängige Gewerkschaften in Kuba genauso wenig geduldet werden wie Referenden akzeptiert werden, die nicht von offizieller Seite initiiert werden.

Widersprüche, die Ramonet nur ausgesprochen halbherzig anspricht und der erfahrene Journalist unterlässt es auch, nachzuhaken. Kritische Fragen hatte Ramonet für seine Sessions mit der bärtigen Revolutionsikone, die er verehrt, nicht vorbereitet und auch der Rekorder war zu Hause geblieben. Aus dem Gedächtnis hat Ramonet die endlosen Gespräche, oder besser die Monologe des Comandante, niedergeschrieben und anschließend zur Überarbeitung nach Havanna gesandt.

Dabei ist zwar einiges herausgekommen, was recht spannend ist – wie zum Beispiel die Anekdote, nach der er seinem Freund und politischen Ziehsohn Hugo Chávez im April 2002 gut zuredete, nicht abzudanken. Aber Ignacio Ramonet lässt dem Berufsrevolutionär freie Hand dabei, sich ein weiteres Mal zu inszenieren. Dass Castros Gehalt als Staatschef nie aufgebessert wurde, gehört genauso dazum, wie der Traum Fidels, das kubanische Vorbild in Lateinamerika zu verankern.

Ein frommer Wunsch des Comandante, der seine Autobiografie und sein politisches Testament in die Hände Ramonets gelegt hat. Ein kluger Schachzug Fidel Castros, denn Ramonet reist schließlich mit dem Buch rund um den Globus und sorgt dabei dafür, dass Castros politisches Vermächtnis bekannt wird. Heute ist Hamburg dran und man darf dem Castroverehrer auch kritische Fragen stellen.KNUT HENKEL

Vortrag von Ignacio Ramonet über sein Buch „Fidel Castro. Mein Leben“ (Rotbuch Verlag Berlin 2008): Fr, 13. 2., 20 Uhr, Instituto Cervantes Hamburg, Chilehaus, Eingang B, Fischertwiete 1

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