Großkunden wird Strom zu teuer

Gerüchte um Manipulationen an der Leipziger Strombörse: Die Spot-Preise sind seit Wochen auf Rekordhöhe. Industriekunden verdächtigen die Energiekonzerne, die Preise künstlich nach oben zu treiben. Das Bundeskartellamt hat sich eingeschaltet

aus Berlin BERND MIKOSCH

Die Preise an der Leipziger Strombörse (EEX) steigen und steigen. Möglicherweise nicht von allein. Das vermutet zumindest der Verband der Industriellen Kraftwirtschaft (VIK), die Lobby der Industrie- und Gewerbekunden: Es könne sein, dass die Energiekonzerne den Handel nutzten, um die Preise hochzutreiben. Jetzt hat sich das Kartellamt eingeschaltet: „Wir gehen den Hinweisen nach“, bestätigte eine Sprecherin gestern. Ein förmliches Verfahren gibt es aber noch nicht. Der Vorsitzende des EEX-Börsenrates, Jacques Piasko, versteht die Aufregung nicht: „Wir sehen keine Anzeichen für Manipulationen, nehmen das Thema aber natürlich ernst“, sagte er der taz.

An der Leipziger Strombörse wird Strom auf dem Spot- und Terminmarkt gehandelt. Auf dem Spotmarkt kaufen die Marktteilnehmer, darunter Energieversorger und Industrieunternehmen, Strom für den kommenden Tag. Hier sind die Preise zuletzt hochgeschnellt, für die Spitzenlastdeckung waren kurzzeitig bis zu 300 Euro je Megawattstunde zu zahlen. Experten führen das auf die heißen Temperaturen zurück: Zahlreiche Großkraftwerke müssen ihre Leistung drosseln oder gar vom Netz gehen. Um die Ausfälle zu kompensieren, werden verstärkt kleinere Kraftwerke zugeschaltet, in denen die Stromproduktion deutlich teurer ist.

Doch auch die Preise auf dem Terminmarkt steigen. Dort decken sich die Teilnehmer für die Zukunft ein. Im Herbst vergangenen Jahres kostete die Megawattstunde Strom für das Jahr 2004 noch 24,50 Euro. „Seit Januar beobachten wir einen stetig steigenden Preis“, sagt Albert Moser von der EEX. Wer heute Strom für 2004 kauft, muss knapp 29 Euro für die Megawattstunde zahlen, ein Fünftel mehr als vor einem Jahr.

Dieser Anstieg war es, der den VIK dazu veranlasste, Börsenaufsicht, Börsenrat und Kartellamt zu einer Prüfung aufzufordern. „Die Frage ist, ob die großen Energiekonzerne marktbestimmend sind, also die Preise hochtreiben können“, sagt VIK-Stromwirtschaftsexperte Carsten van Plüer. Das würde zu höheren Stromrechnungen für Großkunden führen. Von wissenschaftlicher Seite erhält er vorsichtige Unterstützung: „Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass die großen Energiekonzerne ihre Marktmacht ausüben“, sagt Markus Peek vom Energiewirtschaftlichen Institut der Uni Köln. Die Manipulationsvorwürfe des VIK seien zwar Spekulation. „Richtig ist aber, dass die Preise nicht allein mit hohen Temperaturen oder abgebauten Überkapazitäten zu erklären sind.“

Für die Haushalte haben die hohen Strompreise an der EEX zumindest kurzfristig keine Auswirkungen, sagte Thorsten Kasper, Energiereferent des Verbraucherzentralen-Bundesverbandes. Wie der VIK klagt er über die Marktmacht der Energieriesen: Inzwischen sind die Preise auf dem liberalisierten Strommarkt für Endkunden wieder auf dem Niveau der einstigen Monopolpreise.