„Die Stimmung ist vergiftet“

An der Uni Lüneburg krachts. Studierende und Dozenten revoltieren, weil das Präsidium die verfügte Fusion mit einer Fachhochschule durchpeitscht. „Ich muss die Basis mehr ins Boot holen“, räumt Präsident Hartwig Donner im taz-Interview ein

„Mit heißem Herzen macht man die Fusion nicht, die Alternativen wären aber grausam“

Interview: EVA WEIKERT

Der Chef der Lüneburger Stiftungsuniversität Hartwig Donner soll ab 1. Januar 2005 einer neuen Hochschule vorstehen, zu der seine Lehrstätte und die Fachhochschule Nordostniedersachsen nach dem Willen der CDU-/FDP-Regierung in Niedersachsen fusionieren werden. Wegen seines umstrittenen Vorgehens im Fusionsprozess ist die Autorität Donners, der Lüneburgs Uni seit 15 Jahren leitet, aber erschüttert. Erst vor drei Wochen scheiterte knapp ein vom AStA und von Professoren gestützter Abwahlantrag gegen den 64-Jährigen.

taz: In den vergangenen Monaten gab es massive Kritik an Ihrem Vorgehen im Fusionsprozess, die zuletzt in einen Abwahlantrag gegen Sie mündete. Fühlen Sie sich an Ihrer Uni noch wohl?

Hartwig Donner: Es geht hier nicht darum, wie ich mich fühle, sondern dass der Fusionsprozess vernünftig vorankommt. Meine Gefühle habe ich gelernt, dabei zurückzustellen.

Sie hatten kürzlich sogar Ihren Rücktritt angeboten. Warum machen Sie doch weiter?

Weil ich ein Preuße bin, zunächst einmal. Konkret war es zu einer Situation gekommen, in der ich ein Signal setzen musste. Der Streit um das Fusionsgesetz hatte grundsätzlich unterschiedliche hochschulpolitische Vorstellungen offenbart. Der im vergangenen Jahr erfolgte Übergang unserer Uni in Stiftungsträgerschaft mit ihrem hohen Maß an Autonomie und die starke Rolle des Präsidiums, die mit dem neuen niedersächsischen Hochschulgesetz geschaffen wurde, treffen gerade in der Professorenschaft nicht überall auf Zustimmung. Ich wollte durch mein Rücktrittsangebot unserem Stiftungsrat die Gelegenheit geben, eine Richtungsentscheidung zu treffen.

Professoren wie Studierende werfen Ihnen „autokratischen Führungsstil“ vor. Wer sagt denn wirklich, wo es lang geht?

Das sagt das Präsidium, also Präsident und Vizepräsidenten, in engem Zusammenwirken mit dem Stiftungsrat. Da sitzen sieben Personen drin, fünf sind Persönlichkeiten der Gesellschaft und zwei kommen aus dem Senat respektive Wissenschaftsministerium.

Eine kleine Gruppe bestimmt also den Fusionsprozess?

Ganz so ist es nicht. Stiftungsrat und Präsidium werden ja vom Senat gewählt.

Nach dem knappen Scheitern des Abwahlantrags räumte der Stiftungsrat „gravierende Probleme“ etwa hinsichtlich der Transparenz der Fusion ein. Korrigieren Sie sich jetzt selbst?

Dass die Menschen an dieser Uni mehr als andere zu verdauen haben, muss man einfach sehen. Und dann kann man auch das gewaltige Brodeln verstehen. Sicherlich war es mein Fehler, die Organisation dieses Fusionsprozesses als rein operatives Geschäft anzusehen. Das ist sie zwar, und fürs operative Geschäft ist die Hochschulleitung verantwortlich. Aber ich hätte die Basis sehr viel mehr ins Boot holen müssen. Es hätte sich an den Abläufen wohl nichts geändert, aber die Leute hätten sich mehr eingebunden gefühlt. Die Grundsatzentscheidung zur Fusion haben wir im Präsidium getroffen, ohne den Senat vorher zu fragen. Das Gefühl „Hier wird nur noch über uns verfügt“ hat die Stimmung vergiftet.

Darf die Basis denn jetzt mitreden?

Wir wollen erreichen, dass möglichst viele Mitglieder der Hochschule Einfluss auf den Fusionsprozess nehmen. Wir werden nächsten Mittwoch eine Sitzung des Hochschulsenats haben und dort als Präsidium einen Vorschlag machen, wie die Leute intensiver beteiligt werden können. Das erfordert natürlich Zeit und Engagement auf Seiten der Uni-Mitglieder – beides knappe Güter heutzutage.

Der vom Präsidium erarbeitete Fusionsgesetzentwurf ist unter anderem wegen der Öffnung des Hochschulzugangs unter Professoren und Studierenden umstritten.

Dahinter steckt die Befürchtung, dass die Möglichkeit des Uni-Studiums ohne Abitur zu einer Abwertung führen könnte. Wenn die Bachelorabschlüsse bald einen identischen Wert haben, egal wo sie erworben werden, dann wird die Unterscheidung zwischen Fachhochschule und Uni schwierig werden. Das Landesgesetz muss darum künftig statt eines typen- einen studiengangbezogenen Zugang vorschreiben. Für uns kommt diese Regelung schon jetzt mit dem klaren Hinweis, dass sie ohnehin Landesregelung wird. Das haben wir mit dem Wissenschaftsausschuss vereinbart. Damit scheint mir das Problem und die Sorge vieler Kollegen vor einem Imageverlust vom Tisch.

Sind Sie ein Fan der Fusion?

Mit heißem Herzen macht man das nicht, aber die Alternativen wären grausam gewesen. Für die Uni hätte die mögliche Schließung eines Fachbereichs existenzbedrohende Folgen gehabt. In zehn Jahren werden solche Hochschulmodelle Alltag sein. Der Zusammenschluss allein bringt aber gar nichts. Nur wenn wir gute Studiengänge hinkriegen, deren Absolventen anerkannt werden, haben wir gewonnen. Das Land lässt uns aber ganz böse bei der Frage hängen, welchen Etat wir für die Zukunft zugrunde legen können. Es eiert in dieser Frage herum. Ich werde nächste Woche wieder mit dem Minister ein wahrscheinlich neuerlich unerfreuliches Gespräch darüber haben.

Werden Sie nach der Fusion weiterhin Chef sein?

Das ist so vorgesehen, allerdings zusammen mit der Präsidentin der Fachhochschule. Es soll dann aber bald ein Wahlverfahren für eine neue Leitung entwickelt werden und baldmöglichst auch eine neue Spitze gewählt werden. Zur Wahl stelle ich mich aber nicht und verweise nur auf meine Geburtsurkunde. Eine Person von außen wäre zudem geeigneter, die künftige Leitfigur der neuen Uni zu stellen.