berliner szenen Und wieder Wetter

Es wird Stickstoff geben

Mein Hagel sammelnder Freund hat sich umorientiert. Er sammelt nicht mehr Hagel, er sammelt Regen – und ich kann mit Fug und Recht sagen: Er ist ein neuer Mensch. Inzwischen träumt er von einem bundesweiten Assistenten-Netzwerk und seiner eigenen Regenmodecollection. Durchsichtig, mit Vierfarbdruck: Never mind the Hagel, here’s the Rain.

Ich sage: Bundesweit? Go grand, man! Was ist mit dem fiesen Niesel, der über La Rochelle niedergeht? Was ist mit den Schweizer Schauern? Und denke bitte an die Möglichkeiten, die die Witterung des englischen Königreichs zu bieten hat. „Dafür ist gesorgt“, sagt er und lehnt sich zufrieden zurück. Er sei unlängst in die traditionsreiche „Royal Society of Rainwatching“ eingetreten, die Niederschlagsarten nach Seltenheit unterscheidet.

Erstaunt lässt er mich zurück, um kurz darauf mit technischen Gerätschaften auf den Balkon zurückzukommen. „Damit“, sagt er und legt etwas auf den Tisch, das wie ein Chemiebaukasten für Fortgeschrittene aussieht, „lege ich Regentropfen in Stickstoff ein.“ „Und damit“ – ein Art Laser-Sextant kommt zum Vorschein – „messe ich Aufprallwinkel und Geschwindigkeit. Ich sage nur ein Wort: light cloudbirst drizzle mizzle.“ Das waren vier, sage ich, weil mir sonst nichts mehr einfällt. Ein leichter wolkenberstender Sprühregenniesel, übersetzt mein Freund. Und wenn es ihm gelänge, ein solch extrem seltenes Exemplar aufzutun, dann sei er der Star. Sein Blick ruht zärtlich auf seinen neuen Messgeräten.

„Wir tauschen auch“, sagt er stolz. Dass er aber doch gar kein Englisch könne, wende ich ein. „Wir Regensammler verstehen uns auch ohne Worte. Denn wir sprechen eine flüssige Sprache.“

MONIKA RINCK