Smells like Latin Spirit

Afrocubanfunkadelic: Mit der Band Yerba Buena geht das „Heimatklänge“-Festival erst richtig los. Das achtköpfige Kollektiv aus New York bringt den Sommer ans Kulturforum am Potsdamer Platz

VON DANIEL BAX

Sie ist die Frau auf dem Plakat. Nur mit einem Bikini bekleidet, führt sie einen Esel am Seil durch die Straßenschluchten von New York. Per Kopfhörer ist sie mit zwei Plattenspielern verbunden, die der Esel in seinen Satteltaschen trägt.

Mit diesem absurden Motiv werben die „Heimatklänge“ für das Festival, das in diesem Jahr unter dem Motto „Bands of New York“ steht. In dieser Woche steht nun die Sängerin Cece Diamantes auf der Bühne, die das Festival-Plakat ziert und deren Band bereits als heimliches Highlight des diesjährigen Programms gilt: Yerba Buena, ein achtköpfiges Musikerkollektiv aus New York, das mit genialer Beiläufigkeit quer durch den Orchideengarten der lateinamerikanischen Musikstile streift.

Schon nach dem ersten Stück haben Yerba Buena am Mittwochabend sich und ihr Publikum auf dem verregneten Kulturforum warm gespielt. Und rasch lassen sie nicht nur das Wetter vergessen, sondern die „Heimatklänge“ erst richtig beginnen. Denn in den ersten beiden Wochen ließ sich das Festival nur langsam an. Der ständige Regen erweist sich als geradezu existenzgefährend für die „Heimatklänge“, deren finanzielle Zukunft nach Umzug und Neuanfang noch lange nicht gesichert ist. Doch auch die beiden Bands, die in den ersten beiden Wochen auftraten, luden bislang nicht dazu ein, über die Umstände hinwegzusehen. Mit Yerba Buena dürfte das nun anders werden: Mit ihrer unwiderstehlichen Mixtur aus HipHop, Funk, Afrobeat sowie diversen afrokubanischen Stilen bringen sie den Sommer an den Potsdamer Platz.

Auf der „Heimatklänge“-Bühne präsentierte sich die Band, als wäre sie nach Type-casting-Prinzipien zusammen gestellt: Da ist die Sängerin Xiomara Laugart, die mit rot gefärbter Afro-Frisur und knallig orangefarbenem Kleid wie eine Seventies-Soul-Diva auftritt. Da ist ihre Kollegin Cucu Diamantes, bauchfrei in psychedelisch gemusterter Hose, ganz extrovertierte Latina. Da ist der schlaksige Rapper El Chino im Rasta-Look und ganz in Pink. Und da ist der Percussionist Pedro Martinez, der wohl in jedem Lenny-Kravitz-Lookalike-Contest bestehen würde.

Angeführt werden sie vom Gitarristen und Keyboarder Andrés Levin, der die Band von der Seite aus dirigiert und das Publikum mit süffisanten Bemerkungen unterhält. Gleich zu Beginn lädt er seine Zuhörer ein, über die Absperrung zu steigen, und scherzt: „Wir machen das so wie bei MTV: Bitte nur die gut Aussehenden nach vorne.“ Das sorgt für leichte Verwirrung, doch erfüllt sich der Wunsch: Am Ende füllt sich das Areal mit hübschen Teenie-Mädchen; die Jungs trauen sich nicht mehr über die Absperrung.

Auch wenn die Band auf dem ersten Blick so wirkt, als wäre sie einer Galerie der Subkulturen entsprungen: Bei Yerba Buena handelt es sich nicht um eine beliebig gecastete Combo, sondern um ein Team von ausgewiesenen Individualisten. Zusammengeführt wurden sie vom 34-jährigen Andrés Levin, der 1989 von Venezuela nach New York zog. Als Produzent war er für so unterschiedliche Künstler wie Chaka Khan und David Byrne tätig, bevor er sich mit seiner eigenen Band Yerba Buena einen musikalischen Wunschtraum erfüllte. Er tat sich mit der 31-jährigen Sängerin Xiomara Laugart zusammen, die schon eine richtige Karriere auf Kuba hinter sich hatte, bevor sie 1998 in New York Asyl beantragte. Sie ist nun Stimme und Blickfang der Band zugleich.

Der Name „Yerba Buena“ bedeutet so viel wie „das gute Kraut“, und meint im alltäglichen Sprachgebrauch wahlweise Minze oder Marihuana. Dem scheinen einige Mitglieder der Band auch nicht ganz abgeneigt, wie man den Rauchschwaden entnehmen konnte, die zur Pause aus dem dem Umkleideraum der Band drangen: So stark, dass dem Wachpersonal vor der Tür fast die Sinne schwanden: smells like Alternative Latin Spirit.

Mit ihren geschickten Wechsel zwischen karibischen Stilen wie Cumbia und Salsa über HipHop, Funk und Soul bis hin zu nigerianischem Afrobeat zeigen sich Yerba Buena abwechslungsreich und vielseitig, aber nicht beliebig. Sie können sich in minutenlangen Percussionsets verlieren, oder auf den Punkt genau Akzente setzen. Mal tänzelt jeder vor sich hin, mal hüpfen sie im Gleichschritt über die Bühne.

Dass sie vor ausgiebigem Körpereinsatz nicht zurückschrecken, zeigt sich nicht nur auf dem „Heimatklänge“-Plakat, sondern auch gegen Ende des Konzerts: Da lässt sich der Percussionist von den weiblichen Bandmitgliedern seines T-Shirts entledigen, und mit nacktem Oberkörper seine Hüften kreisen. Im Kopulationsreigen demonstrieren die Musiker dann, dass die Grenzen zwischen Sex und Tanz in der afrokaribischen Musik bekanntlich fließend sind.

Heute und morgen 21.30 Uhr, Sonntag 18 Uhr. Eintritt 5 Euro