berlinale szene Salbader-Konferenz

Das sind ja Nutten!

Eine Pressekonferenz als Gottesdienst. Jamal Woolard, der in „Notorious“ den 1997 drivebygeshooteten Rapper Biggie Smalls spielt, sagt tief bewegt: „Dieser Film hat mich Liebe und Toleranz gelehrt. Jetzt in einem Atemzug mit Biggie genannt zu werden, segnet mich.“ Angela Bassett, die Darstellerin von Smalls’ Mutter, salbadert erdenschwer: „Ich bin geehrt, dass ich sie sein durfte, sie, die uns alle gelehrt hat, wie man vergibt.“ Die Mutter selbst wiederum, als Produzentin mit auf dem Podium, findet, dass die Welt endlich erfahren muss, „was für ein großartiger Mensch er war, was für ein Vater, Ehemann und Sohn“.

Biggie Smalls hat mit Dealen und Rappen viel Geld gemacht und war den Damen, die er auch mal Bitch nannte, nicht abgeneigt. Als der Regisseur vom Casting erzählt, in dem Hauptdarsteller Woolard, nicht minder massiv als der notorische Fettklopps, Kussproben mit den potenziellen Filmpartnerinnen absolvieren musste, windet der sich verschämt auf seinem Stuhl.

Am Roten Teppich hat eine Eventagentur einen Pick-up vor den Berlinale-Palast gestellt, auf dem sich korsettierte, gestiefelte Solariummädchen zum Hiphop-Bass verbiegen. Eine junge Frau mit Hornbrille, Dufflecoat und einer Premieren-Eintrittskarte in der Hand schaut entgeistert und haucht ihrer Begleiterin zu: „Das sind ja Nutten!“ Die entgegnet: „Die dürfen aber bestimmt nicht in den Saal. Das schaffst du schon, Anna. Viel Glück.“

KIRSTEN RIESSELMANN