IG Metall macht den Elchtest

Arbeitskampf bei DaimlerChrysler: Gewerkschaft will die Sparpläne der Konzernspitze kippen. 60.000 Mitarbeiter legen bundesweit die Arbeit nieder. Stellvertreterkampf um die Tarifpolitik

BERLIN taz ■ Mehr als 60.000 Beschäftigte des Autobauers DaimlerChrysler protestierten gestern gegen die Sparpläne der Konzernführung. In allen deutschen Pkw- und Nutzfahrzeugwerken standen für etwa zwei Stunden die Produktionsbänder still. Im größten Werk in Sindelfingen wurden nach Angaben des Betriebsrats 800 Mercedes-Fahrzeuge nicht gebaut. Die Belegschaft werde so lange keine Ruhe geben, bis die 6.000 Arbeitsplätze gesichert sind, sagte Gesamtbetriebsratschef Erich Klemm gestern im schwäbischen Sindelfingen.

Der Konzernvorstand hatte angekündigt, beim Bau der neuen C-Klasse ab 2007 jährlich 500 Millionen Euro Kosten einsparen zu wollen. Sollte der Betriebsrat Einschnitten bei Lohnzuwächsen, Zuschlägen und Arbeitspausen nicht zustimmen, werde die C-Klasse nicht mehr in Sindelfingen, sondern in Bremen und Südafrika gebaut. Dies würde 6.000 Beschäftigten in Sindelfingen den Job kosten. Gespräche zwischen Konzernführung und Betriebsrat blieben bisher ohne Ergebnis. Der Betriebsrat hat Einsparungen von 180 Millionen Euro in Aussicht gestellt.

Der Konflikt bei DaimlerChrysler wird immer mehr zum Stellvertreterkampf um die Tarifpolitik. Gesamtmetall-Chef Martin Kannegiesser stärkte gestern der Konzernführung den Rücken: Der Wunsch DaimlerChryslers, durch Abschaffung von tariflichen Privilegien die Produktion wettbewerbsfähiger zu machen, sei „ein typischer Anwendungsfall unseres neuen Tarifvertrags“, sagte er der Berliner Zeitung. Der Tarifexperte der IG Metall, Armin Schild, hielt dem entgegen, dies sei „der präsidiale Blick von oben“ und habe mit der Realität nichts zu tun. „Das Unternehmen ist nicht krank“, sagte Schild der taz. Er warnte die Konzernspitze: „Wenn diese mit uns Schlitten fahren wollen, dann ist das bei einem Organisationsgrad von 90 Prozent der Beschäftigten ein Fehler.“ Mehrere Gewerkschaftsfunktionäre warnten bei einem Nachgeben der Arbeitnehmerseite vor einem „Dammbruch“. Der stellvertretende Betriebsratschef des DaimlerChrysler-Werks in Bremen, Uwe Werner, sagte: „Es ist ein massiver Angriff auf bestehende Tarifverträge.“ THILO KNOTT

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