Ja der Esten zum EU-Beitritt steht auf der Kippe

Stärkste Partei spricht sich für ein Nein beim Referendum am 14. September aus. Zahl der Unentschiedenen wächst

STOCKHOLM taz ■ Am 14. September sollen die EstInnen in einer Volksabstimmung über den EU-Beitritt entscheiden. Einen Monat vorher scheint deren Ergebnis wieder unsicher. Die linksgerichtete Zentrumspartei, bei den Parlamentswahlen im März dieses Jahres mit 25,4 Prozent stärkste Partei geworden, doch von einer Mitte-rechts-Koalition in die Opposition gedrängt, votierte bei ihrem Parteitag am Wochenende in Tartu mit 341 zu 235 Stimmen für ein Nein.

So war davon ausgegangen worden, dass die Partei, die in der EU-Frage gespalten ist, weder Ja noch Nein empfehlen, sondern lediglich zum Urnengang und zur Stimmabgabe je nach persönlicher Überzeugung auffordern würde. Zu einem solchen „Mittelweg“ hatte auch Parteichef Edgar Savisaar geraten, wobei er auf dem Parteitag aus seiner eigenen EU-Skepsis kein Hehl machte: Die EU erinnere in mehrfacher Hinsicht an die Sowjetunion und sei eine Gemeinschaft im Interesse der Reichen.

Savisaar, Exregierungschef und Bürgermeister der Hauptstadt Tallinn, verlieh damit der gerade in der eigenen Anhängerschaft verbreiteten negativen EU-Meinung eine Stimme. Obwohl von dem deutlichen Anti-EU-Votum des Parteitags ebenfalls überrascht, machte sich Savisaar umgehend zu deren Sprecher: Die einseitige Ja-Propaganda habe offenbar das Bedürfnis nach einer klaren Alternative geweckt.

Anfang August hatten Umfragen noch einen sprunghaften Anstieg der Ja-Stimmung von 48 auf 62 Prozent signalisiert, während die Nein-Seite gegenüber dem Vormonat von 45 auf 38 Prozent abgesunken sein sollte. Abgesehen von der Ungenauigkeit demoskopischer Untersuchungen in Estland kommt noch ein spezieller Unsicherheitsfaktor hinzu: 30 Prozent – mit steigender Tendenz – waren unsicher, was ihr eigenes Abstimmungsverhalten angeht. Aus diesem Lager könnte nach dem Zentrumspartei-Votum die Nein-Meinung kräftigen Zuwachs bekommen.

Das Nein der Zentrumspartei führte zu einem innerparteilichen Erdbeben. Die zwei Vizes Savisaars, Peeter Kreitzberg und Exverteidigungsminister Sven Mikser, beide Vertreter der Ja-Stimmung, wurden abgelöst. Worauf Kreitzberg gegen Savisaar für den Vorstandsposten kandidierte, aber verlor. Er kündigte daraufhin an, die innerparteiliche Opposition gegen die Savisaar-Linie „muss sich Gedanken um die Zukunft machen“. Dieses wurde als Ankündigung einer möglichen Parteispaltung verstanden. REINHARD WOLFF