In Gestapo-Gewittern

Sie starben für den Widerstand gegen Hitler: der Sozialdemokrat Theodor Haubach und Generalmajor Fritz Lindemann

„Einen kleinmütigen und verzagten Angeklagten werden die Herren in mir nicht kennen lernen“Für die „Ergreifung des Deserteurs Lindemann“ waren 500.000 Reichsmark Belohnung ausgesetzt

Von Bernhard Röhl

Die Explosion der Bombe im „Führerhauptquartier“ am 20. Juli 1944 löste auch bei den Hamburger NS-Machthabern Schockwellen aus – ein Jahr nach dem Feuersturm durch die Luftangriffe. Bereits in den Abendstunden des 20. Juli 1944 empfing der Kriminaldirektor SS-Standartenführer Horst Kropkow aus Berlin den Befehl, eine „Sonderkommission 20. Juli“ einzusetzen. 400 Männer bekam er an die Seite gestellt. Ihr Auftrag: die so genannte „Gewitteraktion“.

Die Gestapo verfügte nämlich über Listen mit „Verdächtigen“, die während der nun anlaufenden Verhaftungswelle blitzartig inhaftiert werden sollten. Elf Sozialdemokraten aus Hamburg gehörten zu den bereits zwischen dem 22. und 24. August 1944 Verhafteten, darunter der spätere Bürgermeister Paul Nevermann. Etwa 450 „Gewitteraktionäre“ – so der Lagerjargon – kamen damals ins Konzentrationslager Neuengamme. Sie stammten aus dem Hamburger Umland, aus Schlewsig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg, Pommern – und vereinzelt auch aus Westdeutschland. Von diesen 450 Gefangenen starben nach kurzer Haftzeit 80 Personen.

Zu den unmittelbar nach dem 20. Juli Verfolgten gehörte auch Theodor Haubach. Der Sozialdemokrat – am 15. September 1896 in Frankfurt/Main geboren – wohnte seit 1923 in Hamburg, im April 1924 nahm er seine Tätigkeit als Redakteur beim Hamburger Echo auf. Von 1928 bis 1929 gehörte Haubach der Bürgerschaft an, und von 1932 bis 1933 war er zweiter Bundesvorsitzender des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“, einer SPD-Organisation.

Den SA-Fackelzug am 30. Januar 1933 durch das Brandenburger Tor nannte Haubach eine „Wagneroper“. Im Februar 1933 bezeichnete er in einer „Reichsbanner“-Publikation das Hitler-Regime als „ein Unheil, das abzuwehren die Pflicht eines jeden Patrioten ist“. Haubach befand sich seit November 1933 in Darmstadt in Haft, von November 1934 bis Juni 1936 im KZ Börgermoor. Im September 1936 begann er als Versicherungsvertreter in Berlin zu arbeiten. Von Winter 1941 an nahm er an Zusammenkünften des „Kreisauer Kreises“ um den Widerstandskämpfer Helmuth James Graf von Moltke teil.

Am 20. Juli 1944 weilte Haubach bei Freunden im Allgäu –hier erfuhr er die Nachricht über den fehlgeschlagenen Attentatsversuch Stauffenbergs auf Hitler. Die Pläne der Widerständler sahen vor, den Sozialdemokraten Haubach als Informationsminister zu benennen. Er reiste also nach Berlin zurück und arbeitete zunächst ‚normal‘ weiter, um sich nicht verdächtig zu machen. Am 6. August aber schlug die Gestapo zu und kerkerte ihn im Gefängnis in der Lehrter Straße ein. Haubach gelang es noch, Helmuth von Moltke, der sich im Gefängnis Tegel befand, einen Kassiber über seine Verteidigungs-Strategie zu übermitteln. Und an seine Verlobte Anneliese Schellhause schrieb er am 6. Januar 1945: „Einen kleinmütigen und verzagten Angeklagten werden die Herren in mir nicht kennen lernen.“

Der „Volksgerichtshof“ verurteilte Theodor Haubach am 15. Januar 1945 zum Tode, zwei Gnadengesuche wurden abgelehnt. Auf einer Tragbahre wurde der Verurteilte am 23. Januar in den Hinrichtungsraum gebracht, weil er an einer schweren Gallenerkrankung litt. An diesem Tag starben auch Helmuth James Graf von Moltke und acht andere Todeskandidaten am Galgen.

Generalmajor Fritz Lindemann gehörte zum Kreis der engeren Vertrauten des Grafen Stauffenberg. Er war als Sprecher einer neuen Regierung vorgesehen. Wie aus dem Hamburger Adressbuch hervorgeht, wohnte der Offizier damals in der Maria-Louisen-Straße 57 in Hamburg 39. Fritz Lindemann ging von dem Gedanken aus, dass der Kreis des Widerstandes über Offiziere hinaus reichen müsste. Am 20. August 1944 stand im NS-Propagandablatt Völkischer Beobachter in einem Steckbrief zu lesen, dass 500.000 Reichsmark als Belohnung für die „Ergreifung des Deserteurs Lindemann“ ausgesetzt seien, weil dieser „sich an den Vorbereitungen zum Attentat auf den Führer beteiligt“ habe. Der Generalmajor floh nach Berlin und tauchte bei der Familie eines Freundes unter. Am 3. September 1944 fiel Lindemann durch Verrat der Gestapo in die Hände. Der Offizier ließ sich allerdings nicht widerstandslos verhaften – er erlitt schwere Schussverletzungen. Im Berliner Polizeikrankenhaus sollten zwei Operationen sein Leben retten, um ihn vom „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilen zu können. Das blieb ihm erspart: Am 22. September starb Fritz Lindemann in der Klinik.

In Hamburg-Lohbrügge ist ein Weg nach Fritz Lindemann benannt worden. In Altona erinnert ein Straße an Theodor Haubach, und auch eine offene Ganztagsschule dort trägt den Namen des ermordeten Sozialdemokraten.