Geld für Gerechtigkeit

Um die in Bremen akut gewordenen Restitutionsfälle zu lösen, fordern die Grünen die Einrichtung eines Fonds. Auch künftige Ansprüche jüdischer Alteigentümer sollen so erfüllbar werden

Die traditionell schlecht ausgestattete Kulturpolitik darf nicht mit der Restitutionslast allein gelassen werden

Von HENNING BLEYL

Die Zeiten, in denen Museen ihre Sammlungen in Prachtbänden ohne Provenienzangaben „feiern“ konnten, sind definitiv vorbei. Bei der Forschung nach der Herkunft der eigenen Besitzstände und in der Frage, wie man insbesondere mit in der NS-Zeit „billig“ erworbenen Schätzen umgeht, ist Bremen an einem interessanten Punkt angekommen.

Der dortige Mäzen Ludwig Roselius ließ 1935 beim Frankfurter Auktionshaus Helbing drei Werke aus dem Besitz von Ottmar Strauss ersteigern – der emigrierende jüdische Industrielle musste so seine „Reichsfluchtsteuer“ finanzieren. Seither gehörten die beiden spätmittelalterlichen Alabaster-Reliefs mit Mariendarstellungen zu den Prunkstücken in Roselius‘ Privatmuseum. Auch die „Kunstsammlungen Böttcherstraße“, in die die Sammlung des Kaffee-HAG-Erfinders (und bekennenden Nationalsozialisten) überging, präsentierten die Reliefs als Kernstücke der Dauerausstellung – bis sich ein Strauss-Erbe aus Kalifornien meldete (siehe taz vom 28. November und 22. Dezember 2008). Über das mittlerweile funktionierende, Internet-gestützte Lost Art-Register hatte er erfahren, dass ein, wenn auch winziger, Teil der väterlichen Kunstschätze seit gut 70 Jahren in Bremen präsentiert wird.

Vor diesem Hintergrund haben die Bremer Grünen, immerhin eine der Regierungsfraktionen, eine Initiative gestartet: Zur Finanzierung dieser sowie eventueller weiterer Rückgabefälle soll nun ein Fonds gegründet werden, an dem sich sowohl die Stadt als auch Unternehmen und BürgerInnen beteiligen sollen. „Wir stehen gemeinsam in der moralischen Verantwortung“, sagt Karin Krusche, kulturpolitische Sprecherin der Fraktion.

Der aktuelle Bremer Restitutionsfall ist in seinen finanziellen Dimensionen noch vergleichsweise überschaubar: Der Wert der drei in Frage kommenden Kunstwerke wird zusammen auf 55.000 Euro taxiert. Museum, Anwälte der Erben und auch externe Experten sind sich hier einig. Zu dieser Summe müsse der Senat „einen erheblichen Anteil“ beitragen, sagt Krusche. Wie der Fonds dann für künftige Bedarfe weiter gefüllt werde, bleibe noch abzuwarten.

Klar ist: Nicht nur für konkrete Wiedergutmachungszahlungen wird Geld benötigt, ebenso notwendig ist die Finanzierung der Provenienzforschung – in den wenigsten Häusern wurde systematisch aufgearbeitet, unter welchen Umständen die Erwerbungen in den Jahren 1933 bis 1945 zu Stande kamen.

Auch hier hatten die Kunstsammlungen Böttcherstraße das Glück der Überschaubarkeit: Die Zahl der in Frage kommenden Objekte – der künstlerische Schwerpunkt des Hauses ist die vor 1933 erworbene Paula-Modersohn-Becker-Sammlung – beschränkt sich auf 957. Deren Kategorisierung in „unbedenklich“ und möglicherweise „bedenklich“ war durch Projektmittel des Kulturressorts finanzierbar.

Das Ergebnis ist freilich ernüchternd: Auf ziemlich genau der Hälfte der Objektakten klebt nun ein roter Punkt (Erwerb in der NS-Zeit) oder gelber Punkt (kein Kaufdatum). Bei einigen, etwa einem bronzenen, auch in Bezug auf seine Entstehung undatierten Nachttopf ist dieser Befund nicht allzu bedenklich – aber auch Highlights wie der 1935 unter nicht näher dokumentierten Umständen erworbene anonym-niederländische „Salvator Mundi“ von Anfang des 15. Jahrhunderts, ein Prunkstück der Sammlung, werfen Fragen auf. „Man schaut jetzt durchaus mit gemischteren Gefühlen auf den Posteingang“, sagt Sammlungsdirektor Rainer Stamm. Gleichwohl sei die gewissenhafte Erforschung – und Bekanntmachung – etwaiger Restitutionskandidaten alternativlos.

Hinter der grünen Initiative steht auch das Anliegen, die traditionell mit schmalen Etats ausgestatteten KulturpolitikerInnen nicht mit der finanziellen Last solcher Restitutionen allein zu lassen. Krusche betont: „Wir sehen den Gesamtsenat in der moralischen Verantwortung.“ Zunächst gehe es jedoch darum, für den mittlerweile 88-jährigen Ulrich Strauss möglichst schnell eine befriedigende Lösung zu finden. Die Rückgabe der Kunstwerke steht ebenfalls als Option im Raum, würde für beide Seien aber Nachteile bedeuten: Die Kunstsammlungen verlören wichtige Ausstellungsstücke, der offenbar verarmt in Los Angelos lebende Strauss müsste sich um eine schnelle Versteigerung kümmern.

Strauss musste sich in der Vergangenheit bereits über viele Jahre mit Otto Wolff von Amerongen, dem langjährigen Ehrenpräsidenten des Deutschen Industrie- und Handelstages, gerichtlich auseinander setzen: Die Väter der beiden hatten 1904 gemeinsam die Eisenhandelsfirma Otto Wolff gegründet, die sich zu einem der bedeutendsten deutschen Industriekonzerne entwickelt hatte. Bei der „Arisierung“ verlor Strauss sein Vermögen an den Kompagnon.

Unter dem Titel „Unrecht anerkennen, Lösungen finden!“ organisieren die Bremer Grünen am kommenden Donnerstag eine Veranstaltung in den Kunstsammlungen Böttcherstraße. Neben einer Podiumsdiskussion über den angemessenen Umgang mit ehemaligem jüdischem Kunstbesitz und die Chancen eines entsprechenden Fonds zeigt Gert Monheim seinen Film „Das Erbe der Väter“ über Ulrich Strauss‘ langjährige Auseinandersetzungen mit Otto Wolff von Amerongen. Beginn ist um 19 Uhr in der Böttcherstraße 10