Tanz Gretchen, tanz

Der Hospitant macht sich beim Gang zur Kaffeemaschine an die Diva des Stadttheaters heran, die wiederum von der Angst geplagt wird, in der Provinz zu versauern: Die Gastspielpremiere „Gretchen 89ff“ am Theater N.N. nimmt den Theaterbetrieb auf die Schippe

Das Theater lebt von Träumen. Manchmal von geplatzten. In komödiantischen Episoden erzählt Autor Lutz Hübner in seinem Stück „Gretchen 89 ff“ von den Eitelkeiten und Macken der Menschen im Theaterbetrieb. Er reiht die Szene aus Goethes Faust, in der Gretchen das von Mephisto in ihre Kammer geschmuggelte Schmuckkästchen findet („Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles“) in verschiedenen Varationen aneinander und seziert dabei den Probenalltag.

Am Theater N.N. ist dieses Theaterkabarett jetzt als Gastspiel der Münchner „Theaterlust“ zu sehen. „Hoffentlich spielen sie es so, wie es ist“, diese naive Erwartung biederer Abonnenten leitet die Abrechnung mit dem Theaterwesen ein. Das Prinzip des Abends ist einfach: Erst wird aus dem Nähkästchen geplaudert, dann flugs der Spielbetrieb aufgenommen.

Vorgeführt werden die „Angstgegner“ Regisseur und Schauspielerin. So begnügt sich der abgeklärt gelangweilte Tourneetheater-Regisseur mit vagen Anweisungen: „Das Gretchen ist jung, die will tanzen.“ In der nächsten Episode zerpflückt der gefürchtete „Streicher“ die Kästchenszene so, dass er sie am Ende ganz streicht.

Nebenbei lernen die Zuschauer noch andere Berufe am Theater kennen. Der Requisiteur bastelt dem Gretchen noch schnell ein Ersatzkästchen, „weil das Original im Weihnachtsmärchen spielt“. Der Hospitant trifft die verehrte Schauspielerin beim Gang zur Kaffeemaschine und nervt sie mit Komplimenten. Die wiederum sucht das eigene Stadttheater im Register der Zeitschrift theater heute: „Nicht einmal erwähnt im letzten Jahr.“

Dominik Wilgenbus hat „Gretchen 89ff“ mit nur zwei DarstellerInnen inszeniert und setzt ganz auf eine direkte Spielweise. Ein Glücksgriff ist dabei Anja Klawun, die als dominante Diva oder hektische Anfängerin den Regisseur in die Verzweiflung treibt. Ihre große Wandlungsfähigkeit beweist sie in der Rolle der verhärmten Dramaturgin, die sich in einer Off-Theater-Produktion auslebt. Ihr Gegenüber Thomas Luft, überzeugt in den ruhigeren Momenten, könnte sich aber als ruppiger Regisseur mehr Pausen gönnen.

Die Inszenierung hat im Theater N.N. einen passenden Rahmen gefunden. Gespielt wird auf und vor der Guckkastenbühne, das Publikum ist dicht dran. Bei der Premiere amüsierten sich besonders die Zuschauer, die den Theaterbetrieb von innen kennen. Christian Rubinstein

Do 22.–So. 25.7. + Do 29.7.–So 1.8., 20 Uhr, Theater N.N., Hellkamp 68