christoph schultheis
: Kleiner Busen, große Aufregung

Wo Boulevard draufsteht, ist oft auch Silikon drin. Der „Spiegel“ hat ihn trotzdem entdeckt:den „Skalpell-Show-Trend“

Kommt ’ne Frau zum Arzt und sagt: „Ich finde, meine Brüste sind zu klein.“ Und wenn sie diesen Satz im Fernsehen sagt, folgt meist dieselbe Prozedur: Nach einem (in der Fernsehfassung) kurzen Gespräch über Motivation und Risiken einer Brust-OP, bei dem der Mann im weißen Kittel gelegentlich ein glibberiges Silikonkissen rüberreicht, macht sich die Frau nackig. Der Arzt betastet fachmännisch ihren Busen, der Zuschauer schaut etwas weniger fachmännisch zu, der Arzt nennt eine Milliliterzahl.

Nächste Szene: Die Frau hat sich entschieden. Sie sagt, die OP werde ihr Selbstbewusstsein stärken. Dann, der vereinbarte Termin rückt näher, sagt sie noch, sie sei ein wenig aufgeregt. Doch in der Regel malt ihr da der Arzt mit seinem Filzstift schon Linien auf die Brust. Und auf die andere Brust. Und schiebt – Schnitt – die glibberigen Dinger, die wir schon aus dem Beratungsgespräch kennen, in die Frau. Zum Schluss, gemeinhin ein paar Wochen später, macht sich die Frau dann nochmals nackig, beim Arzt („Sieht doch alles seeehr gut aus!“) oder zu Hause („Ich bin totaaal zufrieden!“), und geht, begleitet von der Fernsehkamera, zum Shopping ins Dessousgeschäft.

So ein Betrag dauert in der Regel zirka fünf Minuten – und ist seit vielen Jahren Standard im Vorabend- und Abendprogramm. Wo Boulevard draufsteht, ist oft auch Silikon drin. Längst kennt das Thema zahllose Variationen: mit kleinen Brüsten, Hängebrüsten, Discount-Brüsten oder verpfuschten Brüsten und natürlich mit Fettabsaugen, das, wenig telegen, stets gern gezeigt wird. Und weil dergleichen, wie man hört, nicht nur bei Frauen immer beliebter werde, zeigte „Spiegel TV“ noch vor vier Wochen beispielsweise das Doku-Schmankerl „Männer unterm Messer“.

Weil nun aber Sender wie Pro7, RTL und MTV die gängige Berichterstattung unter Titeln wie „The Swan“, „Alles ist möglich“ oder „I want a famous face“ in eigene Formate auslagern und, ach du liebe Zeit, neuerdings sogar bei „Big Brother“ ein Schönheitschirurg Hausbesuche macht, hat der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe den „Skalpell-Show-Trend“ entdeckt, in dem das „Frankenstein-Fernsehen“, haha, „zum Programmschwerpunkt aufgepolstert“ werde.

Drei Seiten ist das „Blut, Fett und Tränen“-Textchen lang. Doch dass RTL 2 dergleichen schon vor zwei Jahren als Doku-Serie zeigte und beispielsweise RTL „das Thema in allen Nuancen bislang schon in seinen Boulevardmagazinen ausreizt“, streifen die Spiegel-Trendscouts nur am Rande. Aber klar: Wenn man das ausführlicher erzählen wollte, wär’s ja auch höchstens ’ne Kolumne wert.