barbara dribbusch über Gerüchte
: Das Kamel am Swimmingpool

Früher als Rucksackreisende und jetzt als Pauschaltouristin in der Türkei – Selbsterfahrung ist beides

Eine Badewoche sollte es diesmal sein, zur Abwechslung mal im weiteren Ausland. „Türkei wäre okay“, sagte ich im Karstadt-Reisebüro. Sofort warf die Beraterin begeistert ein halbes Dutzend Prospekte auf den Tisch: „Türkei! Da ist noch jede Menge frei!“ Öger Tours war am billigsten. Ein Ferienclub an der türkischen Südküste. „Klar, ein Alternativurlaub abseits der Touristenströme wird das nicht“, sagte ich entschuldigend zu Freundin Britt, „aber ein bisschen was vom Orient werden die Kinder hoffentlich trotzdem mitbekommen.“ Britt sagte nichts.

Britt und ich waren als 17-Jährige in der Türkei gewesen, mit zwei Freunden, die gerade ihren Führerschein gemacht hatten. Wir hatten damals, vor mehr als 25 Jahren, billig einen lila angestrichenen VW-Bus erworben, der allerdings kurz hinter Karlsruhe liegen blieb und erst mal einer größeren Reparatur bedurfte. Mit mehrtägiger Verspätung erreichten wir schließlich das Morgenland und streiften in Istanbul durch die Basare, immer gnadenloser handelnd um den Preis jedes Ohrrings. Schließlich wollten wir nicht so sein wie die Neckermann-Touristen, die sich in den einschlägigen Gassen von eilfertigen Händlern lange, bunte Gewänder andrehen ließen, in denen sie aussahen wie ungebetene Gäste einer Faschingsparty.

Die Einladung zum Tee bei einer Familie auf dem Dorf, eingedenk deren ich mich vor allem an die Worte „Stuttgart“ und „Daimler Benz“ erinnere, lieferte die Basis für spätere Geschichten zu Hause über unser Leben mit der örtlichen Bevölkerung. Mit einer Reise in die Türkei konnte man damals noch ein bisschen angeben. Heute sieht die Sache anders aus.

Das Kamel zum Beispiel irritiert mich. Wie ein ausgestopftes Tier, das in einem Theaterstück über die Bühne getragen wird, erscheint das bunt geschmückte Dromedar alle paar Minuten wieder auf der Bildfläche. Immer andere Touristen obendrauf, wird es im Kreis durch den Ferienclub geführt, an den Kellnern in folkloristischen Kostümen vorbei. Denn heute ist „türkischer Abend“, an der Tafel stand es angeschlagen.

Unserem Tisch nähert sich eine trötende und schrammelnde Dreimannkapelle. „Hallo, Chef“, lächelt der Geiger Christoph an. In den Saiten seines Instruments stecken Dollar- und Euronoten. Christoph fügt eine weitere Banknote hinzu. Die Kunst des Reisens besteht darin, sich jeder Umgebung anpassen zu können. Auch in einem Ferienclub in Side.

Am nächsten Tag geht es zum Basar nach Antalya. Der Reiseleiter hatte vorher jovial erklärt: „Handeln gehört zur Türkei. Aber einen Tipp kann ich Ihnen geben: Nennen Sie einfach die Hälfte des Preises, der Ihnen gesagt wird, und dann treffen Sie sich in der Mitte.“ Eine feste Regel! Das war etwas Neues. Denn die Sache mit der Handelei galt früher als echter Coolness-Test für Rucksackreisende.

Einen niedrigen Preis knapp an der Grenze zur Beleidigung des Verkäufers zu nennen, die Psychotricks zu durchschauen, wenn sich der Mann entsetzt abwandte über das angeblich zu niedrige Angebot des potenziellen Käufers. Dann auch mal weggehen oder so tun, als wolle man weggehen. Einmal ging die Sache schief.

Ich weiß noch, wie uns der Mann damals aus seinem Laden in Istanbul warf. Wir hatten für ein paar gebrauchte Schlagzeugbecken der türkischen Marke Zildjan einen beschämend niedrigen Preis geboten und wussten das auch. Der alte Mann wies uns sofort die Tür. Dieser Kauf wäre die einzig relevante Erwerbung auf der ganzen Reise gewesen.

Doch heute werde ich mich einfach an die 50/75-Prozent-Regel halten, Pauschaltouristin sein, die Seele baumeln lassen. „Zehn Euro“ sagt der Verkäufer im Basar, als ich auf die roten Plastiksandaletten zeige, die in Berlin in den McGeiz-Läden garantiert für drei Euro zu haben wären. „Fünf Euro“, biete ich artig. „Mama, sag doch gleich sieben Euro“, drängt mein kleiner Sohn David. „Mama, sag sieben Euro“, äfft der Verkäufer ihn nach. Der Mann hat blöde Handelsrituale offenbar genauso satt wie ich. Er bleibt bei seinen zehn Euro – wir gehen.

Den Kindern ist das Feilschen der Eltern sowieso richtig peinlich. „Die Leute hier sehen doch so arm aus“, sagt David später mitleidig, „bezahl doch lieber gleich, was die sagen.“ Eigentlich hat er Recht.

„Und?“, fragt Britt nach unserer Rückkehr am Telefon, „wie war das noch mal, den Kindern den Orient ein bisschen nahe zu bringen? Mittels Pauschalreise?“ „War okay“, sage ich vage, „aber weißt du, die Kinder interessieren sich doch vor allem nur für den Pool.“

Tipps zum besten Reisestil? kolumne@taz.de