Ausbruch aus dem linken Ghetto

Den CDU-Stadträten galt der Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Kreuzberg/San Rafael del Sur in den Achtzigerjahren als „kommunistische Verschwörung“. Heute sehen ihn viele als Erfolgsprojekt

„Viele junge Brigadisten wissen heute gar nicht mehr, wer die Sandinisten waren“

BERLIN taz ■ Die Städtepartnerschaft Kreuzbergs mit San Rafael del Sur geht weit über bloße Symbolik hinaus: Anstelle der sonst üblichen Zusammenkunft von Honoratioren und dem Austausch von Stadtwappen, unterstützt der Berliner Bezirk seine Partnerstadt mit Geld, Hilfsgütern und Arbeitskräften. „Ein echtes Graswurzelprojekt“ nennt Dieter Radde seinen „Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Berlin-Kreuzberg/San Rafael del Sur“, dessen Vorsitzender er bis vor wenigen Wochen war. Seit zwanzig Jahren leistet der Verein Entwicklungsarbeit vor Ort, immer auf gleicher Augenhöhe mit den Betroffenen.

An Solidarität mit der sandinistischen Volksrevolution mangelte es Anfang der 80er-Jahre nicht in Kreuzberg: Jugendgruppen, Gewerkschaften und Kirchen organisierten damals Aktionen. „Jede Gruppe hat alleine vor sich hingewurschtelt, da kam irgendwann die Idee auf, alle linken Kräfte zu bündeln und gemeinsam eine Region in Nicaragua ganz konkret zu unterstützen“, erzählt Dieter Radde. 1984 nahm der frisch gegründete Verein zum ersten Mal Kontakt mit der 400 Quadratkilometer großen, kaum entwickelte Gemeinde im Südwesten Nicaraguas auf.

„Politisch war da wenig los“, erzählt Dieter Radde. „Wer die Sandinisten im Kampf gegen die Contras vor Ort unterstützen wollte, ist damals eher in den Norden gefahren.“ Zu tun gab es trotzdem jede Menge: Ein Großteil der rund 45.000 Einwohner der Gemeinde lebte damals ohne Strom und sauberes Trinkwasser und hatte kaum Zugang zu Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen.

Von offizieller Seite war in Berlin die Begeisterung über das Engagement der Kreuzberger nicht besonders groß: Der Bezirk lag im amerikanischen Sektor, der CDU-Bürgermeister hielt den Verein für eine kommunistische Verschwörung. Als 1986 nach langer Lobbyarbeit endlich in einem offiziellen Akt die Partnerschaftsurkunde im Kreuzberger Rathaus unterzeichnet werden konnte, verließ die CDU-Fraktion demonstrativ den Saal.

Heute gilt die Arbeit des Vereins auch über den Bezirk hinaus als großer Erfolg. „Wir sind stolz darauf, dass wir viele Menschen ansprechen konnten, die sonst nicht für solche Projekte zu gewinnen sind“, sagt der Nicaragua-Aktivist Dieter Radde. „Wir haben den Ausbruch aus dem linken Ghetto geschafft.“ Die Entwicklungsprojekte stehen für den Verein heute im Vordergrund, die politischen Wurzeln sind weniger wichtig. „Viele der jungen Leute, die heute als Brigadisten mit uns nach Nicaragua fahren, wissen gar nicht, wer die Sandinisten waren“, erzählt Radde.

Die Aktiven unter den 130 Mitgliedern in Deutschland arbeiten ausschließlich ehrenamtlich, um die vorhandenen Gelder vollständig in Nicaragua einsetzten zu können. Rund eine halbe Million Euro konnte der Verein jährlich durch Spenden und Zuschüsse für Entwicklungsprojekte aufbringen – bis jetzt. Zum ersten Mal seit 15 Jahren hat die EU-Kommission in diesem Jahr einem Antrag des Vereins auf Fördergelder nicht entsprochen. „Wir arbeiten aber schon an den Anträgen für das kommende Jahr“, sagt die neue Vorsitzende Heike Krieger zuversichtlich. Die Party zum 20. Geburtstag des Vereins haben sich die Kreuzberger jedenfalls nicht vermiesen lassen.

ALENA SCHRÖDER

Info: www.staepa-berlin.de