Liberias Rebellen übergeben Hafen

Heute wollen die Lurd-Rebellen aus dem Hafen von Monrovia abziehen. Wenn die Friedenstruppe einrückt, kann mit internationalen Hilfslieferungen begonnen werden. Doch nun wollen die Rebellen in die Übergangsregierung

aus Monrovia HAKEEM JIMO

Die Nachricht, auf die die Menschen in Monrovia seit Wochen warten, kam am Dienstagabend: Heute Nachmittag werden die Rebellen die Kontrolle über den Hafen und das Gebiet um Bush Road Island den Friedenstruppen von Ecomil überlassen. „Alle von uns nehmen unsere Sachen und gehen zu unserem Hauptquartier. Wenn wir gehen, lassen wir nicht einen unserer Männer zurück“, sagte Verhandlungsführer Fofana von den Lurd-Rebellen.

US-Botschafter John Blaney kündigte an, dass die Rebellen sich rund 30 Kilometer bis außerhalb der Stadt über den Fluss Po zurückzögen. Das gaben in einer gemeinsamen Erklärung die Hauptrebellengruppe Lurd (Liberians United for Reconciliation and Development), der Kommandeur der Friedenstruppe und der US-Botschafter bekannt. Sie sprachen am Dienstagabend im Anschluss an ein Treffen im Hauptquartier der Rebellen.

Mit dem Rückzug der Rebellen aus dem Hafen steht dem Beginn internationaler Hilfslieferungen nichts mehr im Weg. Die Hauptvorräte an Lebensmitteln, aber auch der Treibstoff des Landes, sind in den Schuppen und Silos des Hafens gelagert. Zwei Brücken verbindet das Festland mit der Halbinsel, wo das Zentrum Monrovias liegt. Hierher sind in den vergangenen Wochen zehntausende Menschen geflüchtet. Die Brücken trennen zugleich auch die Kriegsparteien von einander.

Nur der Standort gibt beim ersten Blick einen Hinweis auf die Parteizugehörikeit. Auf beiden Seiten tragen die Kämpfer keine Uniform und haben die gleichen Maschinengewehre. Auf der Rebellenseite steht ein hagerer Mann in gelber Öljacke Wache. Er grüßt und bietet Benzin für einen Bruchteil des Preises auf der anderen Seite der Brücke an. Auf der Regierungsseite kostet ein Liter rund fünf Dollar. Der Preis lag sogar schon bei acht Dollar. Auch Reis ist auf Rebellenseite keine Mangelware. Entlang der Straßen tragen Männer sogar 50-Kilogramm-Säcke. Auf Regierungsseite wäre das ein kleines Vermögen. Ein Becher, vielleicht 200 Gramm, kostet hier einen Dollar – vor einer Woche sogar noch das Doppelte. Bei den Rebellen bekommt man dieselbe Menge für weniger als die Hälfte.

Von der Versorgung her geht es den Menschen auf der Rebellenseite besser. Viele versuchen, von der Regierungsseite in dieses Gebiet zu kommen. Aber sie werden abgewiesen. Der Taxibahnhof gleich an der Brücke bei dem Rebellenwachposten sieht aus wie ein Schrottplatz. Alle Wagen sind zerschossen. Autos haben auf beiden Seiten als Schießstände einen neuen Verwendungszweck bekommen. Nur noch wenige fahren – hüben wie drüben. Den einen fehlt es an Benzin, den anderen an Geld. Die Straßen sind frei für die Lastwagentransporte, die die Menschen heute Nachmittag erwarten. Ein Lkw vom Welternährungsprogramm WFP steht bereits vor dem Rebellenhauptquartier.

Dagegen verheißen Neuigkeiten von einem anderen Frontabschnitt zwei Tage nach dem Rücktritt von Charles Taylor nichts Gutes. Die zweite Rebellengruppe Model ist von Buchanan, der zweitgrößten Stadt Liberias, in Richtung Flughafen gerückt. Die Regierungstruppen zogen sich kampflos zurück. Erste Kommentare aus Rebellenkreisen werteten die Vorstöße als sporadisch. Noch am Dienstag sollen Friedenstruppen zu den Model-Rebellen aufgebrochen sein, um sie von einem weiteren Vorstoß abzuhalten.

Viele Liberianer hoffen einerseits auf die unverzügliche Hilfe der internationalen Gemeinschaft und vor allem der USA. Andererseits sind viele skeptisch, ob das Problem Liberias mit dem Weggang von Expräsident Taylor wirklich gelöst ist. Die große Frage für die kommenden Tage heißt: Halten sich die Rebellen an ihre Zusagen? Oder wird die Friedensmission zu einer Frieden erzwingenden Mission, falls Rebellen oder unberechenbare Teile von ihnen nicht mitspielen? Ein weiterer Störfaktor für eine schnelle Befriedung und Stabilisierung des Landes sind die jüngsten Forderungen der Lurd-Rebellen für die Übergangsregierung ab Oktober. Darin wollen sie jetzt eine entscheidende Rolle spielen. Bislang gingen die Friedensvermittler davon aus, dass kein Beteiligter der Kriegsparteien in die Staatsführung aufgenommen werden soll.