Musik-Oligopol wird noch übersichtlicher

Ohne große Auflagen wird die EU heute die Fusion von Bertelsmann Music Group und Sony durchwinken. Damit bleiben noch vier große Plattenfirmen übrig, die in Europa 80 Prozent des Marktes unter sich aufteilen

Unabhängige Plattenlabels laufen gegen die laxe Haltung der EU Sturm

BERLIN taz ■ Heute geht für den Medienkonzern Bertelsmann ein Traum in Erfüllung. Auf ihrer Sitzung in Straßburg wird die EU-Kommission aller Erwartung nach die Fusion der Bertelsmann-Musiksparte BMG mit Sony Music ohne nennenswerte Auflagen absegnen. Mit geschätzt rund fünf Milliarden Dollar Gesamtumsatz entsteht so der nach dem Marktführer Universal Music zweitgrößte Tonträgerverbund der Welt. Der ohnehin schon hochkonzentrierte Markt wird so noch überschaubarer: Nun teilen sich nicht mehr wie bisher fünf, sondern nur noch vier Musikmaschinen das globale Geschäft. Die Krise der Musikindustrie beheben wird der Zusammenschluss aber nicht.

Seit über vier Jahren stand neben der Reanimierung der etwas ins Abseits geratenen BMG die Suche nach geeigneten Übernahmekandidaten oder Fusionspartnern ganz oben auf der To-do-Liste der jeweiligen Bertelsmann-Vorstände. Als aussichtsreichster Kandidat dieser Brautschau galt zunächst lange die britische EMI, der kleinste Große im Musikgeschäft. Doch weil sich die Absatzmärkte der beiden Konzerne vor allem in Europa weiträumig überschnitten, platzte der Deal „dank der Anti-Trust-Aufsicht in Brüssel“, wie der Bertelsmann-Vorstandsvorsitzende Thomas Middelhoff seinerzeit übellaunig formulierte.

Dass jetzt die BMG-Sony-Fusion quasi durchgewunken wird, vermag Middelhoff allerdings nicht mehr recht zu freuen: Der Konzernchef wurde im Sommer 2002 abgesägt. Hintergrund dieser neuen EU-Fusionsfreundlichkeit dürften diverse Niederlagen sein, die die EU-Kommission bei anderen Fusionsverboten vor Gericht einstecken musste. Wenn – wie im Musikgeschäft – noch andere Mitbewerber im Markt aktiv sind und die Marktanteile nicht zu ungleichmäßig verteilt sind, legen die Gerichte die Hürden für ein Verbot besonders hoch. Nach Branchendaten läge der Sony-BMG-Verbund weltweit mit rund 25 Prozent Marktanteil nur knapp vor dem heutigen Spitzenreiter Universal Music (23 Prozent). Unabhängige Label laufen gegen diese laxe Haltung der EU Sturm: Sie befürchten Preisabsprachen vor allem bei CDs und Sonderaktionen und weisen darauf hin, dass in Europa bereits heute rund 80 Prozent aller CDs von den fünf großen Konzernen vertrieben werden.

Hintergrund der Fusion sind die seit vier Jahren rückläufigen Umsätze im internationalen Musikgeschäft. Für 2003 errechnete der Branchenverband IFPI ein Minus von 7,6 Prozent, in Deutschland brach der Markt mit 19 Prozent besonders heftig ein. Schuld, so die Leier der Konzerne, seien vor allem die CD-Piraterie sowie die trotz anhängiger Prozessflut nicht zum Schweigen zu bringenden Internet-Tauschbörsen. Dass die Konzerne hier den Trend höchstselbst verschlafen und sich seitdem selbst blockiert haben, hören sie entsprechend ungern.

Für Unmut dürften auch Berichte der Financial Times sorgen, nach denen bei Sony-BMG 2.000 Arbeitsplätze und damit jeder vierte Job im neuen Unternehmen zur Disposition steht. Schließlich soll die Fusion rund 280 Millionen Euro im Jahr sparen. Wer den Hauptteil davon trägt, ist derzeit noch unklar. Mit einem unerwartet hohen Gewinn in Höhe von 30 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2004 dürfte BMG für die jetzt anstehenden Verhandlungen aber gut gerüstet sein. STEFFEN GRIMBERG