Jassir Arafat entgleitet die Personalpolitik

Angesichts der Kritik aus den eigenen Reihen degradiert der Palästinenserpräsident seinen umstrittenen Neffen. Der Konflikt mit Regierungschef Kurei ist noch nicht beigelegt

BERLIN taz ■ Nach massiven Protesten im Gaza-Streifen, die in der Nacht zum Montag 18 Verletzte forderten, hat Palästinenserpräsident Jassir Arafat nachgegeben. Nach nur zweitägiger Amtszeit entließ er gestern seinen Neffen Mussa Arafat vom Posten des Sicherheitschefs für den Gaza-Streifen und das Westjordanland und setzte dessen Vorgänger Abdel-Rasek al-Madschaida wieder ein. Mussa Arafat soll Stellvertreter Madschaidas bleiben und für den Gaza-Streifen zuständig sein, im Westjordanland übernimmt Ismail Dschaber den Führungsposten.

Offen blieb zunächst der Ausgang des Konflikts zwischen Arafat und dem palästinensischen Regierungschef Ahmad Kurei. Letzterer bekäftigte nach einer Dringlichkeitssitzung des Kabinetts in Ramallah erneut seine Rücktrittsabsichten und forderte Arafat gleichzeitig dazu auf, „die richtigen Personen auf die richtigen Posten“ im Sicherheitsapparat zu setzen. Der Konflikt über seinen Rücktritt, den Arafat bislang nicht akzeptiert habe, bleibe ungelöst.

„Ich habe noch keine schriftliche Stellungnahme erhalten“, sagte Kurei und deutete damit an, dass ihm Arafats verbale Ablehnung nicht ausreiche. Er begründete seine Rücktrittsabsichten mit „dem Chaos und Kontrollverlust über die Sicherheitslage im Gaza-Streifen“, von der lediglich „die Feinde der Palästinenser in Israel“ profitierten. Kurei zufolge wollte ein Kabinettskomitee am Nachmittag in den Gaza-Streifen aufbrechen, um mit den dortigen Gruppen über den Konflikt zu beraten.

Angesichts der jüngsten Entwicklungen auf der palästinensischen Seite sehen in Israel sowohl Befürworter als auch Gegner des Gaza-Abzugsplans von Ministerpräsident Ariel Scharon ihre Argumente bestätigt. Für viele Beobachter sind die Proteste ein Beweis für den Zusammenbruch der palästinensischen Autonomieregierung. „Die Ereignisse im Gaza-Streifen bestätigen, dass es niemand gibt, mit dem man reden kann“, sagte Scharon am Sonntag vor Beginn der wöchentlichen Kabinettssitzung. Auch Regierungsbeamte erklärten gegenüber dem Militärrundfunk, die instabile Lage zeige erneut, dass Israel keinen echten Verhandlungspartner habe. Deshalb müsse Scharons Abzugsplan im kommenden Jahr einseitig durchgezogen werden. Usi Landau, Wortführer der Rebellen in Scharons Likud-Partei, sagte demgegenüber, Israel könne kein Sicherheitsvakuum im Gaza-Streifen zurücklassen und müsse daher bleiben. „Der Abzugsplan ist eine Belohnung für Terrorismus“, fügte Landau hinzu. „Er ignoriert die Realität im Gaza-Streifen.“

In der israelischen Presse gab es jedoch auch differenziertere Kommentare. „Israel könnte für die innerpalästinensische Gewalt verantwortlich gemacht werden, mit dem Argument, Israel habe den Zusammenbruch der palästinensischen Regierungsbehörde verursacht“, hieß es gestern in der Jerusalem Post. Chaos, Anarchie und Gewalt unter den Palästinensern könnten in der Tat Arafat schwächen, aber dies könne Israel auch in eine Lage versetzen, in der Diplomatie dringend gefragt sei. B. S.