Bossi verlässt Italiens Kabinett

Regierung Berlusconi bröckelt weiter: Nach Finanzminister Tremonti kommt Minister für Verfassungsreformen abhanden. Lega-Nord-Chef wechselt ins EU-Parlament

ROM taz ■ Umberto Bossi, Chef der Lega Nord, hat gestern seinen Rücktritt als Minister für Verfassungsreformen erklärt. Bossi wird zudem sein Mandat im italienischen Parlament aufgeben und ins Europaparlament wechseln, in das er im Juni als Listenführer der Lega gewählt wurde.

Ministerpräsident Silvio Berlusconi erfährt damit nach internen Krächen eine weitere Schwächung seiner Koalition und seines Kabinetts. Im Kern geht es um einen grundlegenden Richtungsstreit in der Rechtskoalition: Bossi stand zusammen mit dem Anfang Juli zurückgetretenen Finanzminister Giulio Tremonti (Forza Italia) für die „Nord-Achse“, die mit weiterer Föderalisierung Italiens, mit Steuersenkungen für Reiche und populistischen Attacken auf die Verfassungsordnung einen grundlegenden Umbau Italiens im Interesse des Nordens vorantrieb. Der zweitgrößte Koalitionspartner, die exfaschistische Alleanza Nazionale (AN) unter Vize-Premier Gianfranco Fini, sowie die christdemokratische UDC unter Marco Follini standen dagegen für einen im Ton gemäßigten, in der Sache stark an Südinteressen orientierten Kurs.

Erst erzwang die AN Tremontis Rücktritt, dann verhinderte die UDC Berlusconis Versuch, in einem langen Interim selbst das Schatzministerium zu übernehmen. Darauf versuchte Berlusconi, seine Führungsrolle mit Einbindung aller Partner ins Kabinett zu stärken und Follini neben den schon präsenten Fini und Bossi der Kabinettsdisziplin zu unterwerfen. Berlusconi scheiterte am Widerstand Follinis; das Ergebnis: eine schwache Lösung für das Schatzministerium, in dem der Technokrat Domenico Siniscalco das Ruder übernahm.

Bossi, der um die Zukunft seiner Föderalismusprojekte fürchtet, rächte sich nun an UDC und AN, indem er aus dem Kabinett ausscherte; vermutlich wird ein zweitrangiger Lega-Politiker dort seinen Platz einnehmen. Bossi war wegen einer Herzattacke schon seit März nicht in Rom präsent und liegt derzeit im Krankenhaus; jetzt aber geht er absichtlich auf Abstand. Die zentrifugalen Tendenzen in Berlusconis Rechtsallianz verstärken sich; auch rechte Politiker spekulieren nun über ein vorzeitiges Ende der Koalition 2005, ja über Neuwahlen womöglich schon im Herbst. MICHAEL BRAUN