„Wie die Auferstehung von den Toten“

Der Drogenhilfeverein Fixpunkt schult Junkies in Erster Hilfe und verteilt ein Notfallmedikament gegen Überdosis. Es fehlen aber Kapazitäten, um mehr Junkies dafür zu motivieren. Konsumräume bräuchten längere Öffnungszeiten

Die Anzahl der Drogentoten in Berlin sinkt. In den ersten fünf Monaten des Jahres wurden 51 Todesfälle registriert, im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 62. Das hat Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) jüngst mitgeteilt. In vielen Fällen noch immer die Todesursache: Mischkonsum und die klassische Überdosis. Ein großer Teil dieser Fälle, da ist man sich beim Drogenhilfeverein Fixpunkt sicher, wäre bei rechtzeitiger Hilfe vermeidbar gewesen. Deshalb arbeitet der Verein seit Jahren an Strategien, wie dieses Hilfe geleistet werden kann.

Eine davon: Fixpunkt schult Junkies in Erster Hilfe und gibt dann ein Mittel an sie aus, das unmittelbar gegen eine Überdosis hilft: das Medikament Naloxon. Die Todesursache bei einer Überdosis Heroin oder anderer Opiate ist eine Atemlähmung, weil das Gehirn keine Atmungsimpulse mehr aussendet. Naloxon löst das Heroin vom Gehirn, das Atemzentrum arbeitet wieder. Die Wirkung setzt sofort ein. „Das ist wie die Auferstehung von den Toten“, sagt Fixpunkt-Chefin Astrid Leicht.

Von 1998 bis 2003 hat Fixpunkt ein Modellprojekt zur Naloxonvergabe durchgeführt, bislang ein in Europa einmaliges Projekt. „Drogennutzer sind häufig nicht alleine und können sich im Notfall gegenseitig Hilfe leisten“, sagt Leicht. „Sie dafür zu motivieren ist aber sehr arbeitsintensiv.“ Die Fixpunkt-MitarbeiterInnen haben 261 Abhängige für das Projekt gewonnen, in 103 Fällen haben diese Naloxon gespritzt. Die Projektärztin geht davon aus, dass der Einsatz in nur sechs Fällen unbegründet war. Das Projekt könnte also zahlreiche Leben gerettet haben. „Trotzdem ist es zuletzt etwas eingeschlafen, weil wir die Ressourcen dafür nicht mehr haben.“ Früher war ein Mitarbeiter mit 30 Stunden für das Projekt zuständig, die Stelle wurde auf 30 Prozent reduziert. „Damit kann man diese Überzeugungsarbeit nicht machen.“ Fixpunkt hofft nun, das Projekt in den Drogenkonsumräumen wieder in Gang bringen zu können.

Die sind eine zweite Strategie zur Notfallhilfe. Im Drogenmobil und den beiden Räumen, die im Februar nach jahrelanger ideologisierter Debatte eröffneten, können Abhänge unter hygienischen Bedingungen ihren Stoff spritzen oder rauchen. Zur Beratung und im Notfall ist medizinisches Fachpersonal da.

Fixpunkt betreibt zusammen mit dem Verein BOA den Konsumraum in der Birkenstraße in Tiergarten. „Anfangs hatten wir Startprobleme“, sagt Matthias Huy, der als Krankenpfleger dort arbeitet. In den ersten Monaten kamen nur Einzelne, mittlerweile seien es täglich um die 15 Abhängige. „Da wir nur drei Stunden auf haben, sind das Zahlen, die sich sehen lassen können.“ Die anderen beiden Einrichtungen, der Konsumraum am Kotti und der Bus, der meist am Zoo steht, kämpfen weiter mit Anlaufschwierigkeiten. Huy hofft, dass die Öffnungszeiten ausgeweitet werden. „Das würde die Akzeptanz durch die Szene weiter erhöhen.“ Mittel dafür gibt es bislang nicht. SABINE AM ORDE