Das Profil des Dr. Pfahls

Wie das Bundeskriminalamt den untergetauchten Staatssekretär a. D. in Paris fand

Dr. Pfahls isst gern Dorade-Fisch und als Dessert Zwetschgenkuchen

Zielfahnder müsste man sein. „Zielfahnder geben nicht auf“, sagt Nordrhein-Westfalens Innenminister Fritz Behrens, „denn ihr Motto lautet: ‚Früher oder später kriegen wir alle.‘ “ Und wer würde das nicht gern von sich sagen?

Aber wie findet man einen Mann, der den Globus kennt wie seine Westentasche und der allein mit dem Bestechungsgeld in seiner Tasche den Erdball mehrfach umreisen kann? Dr. Ludwig-Holger Pfahls: Staatssekretär a. D., mit Scheichs auf du und du, mit fetten Verfassungsfeinden dick befreundet; jeder Mafia-Killer schuldet Panzer-Holger noch einen Gefallen.

Ein Mann, dessen Spur sich im Mai 1999 auf dem Flughafen Hongkong verliert. Seine Reisestationen in den drei Monaten davor: Tokio, Zürich, Nizza, Frankfurt, Jakarta, Bangkok, Hongkong, Ho-Chi-Minh-Stadt, wieder Frankfurt, Madrid, Montreal, Detroit, London, wieder Bangkok, Taipeh, Hongkong – Ende Gelände. Wo suchen? Wie suchen? Asien großräumig absperren?

Nein, so geht es nicht, aber das sind ohnehin nicht die luziden Methoden der Zielfahnder. Diese, so lesen wir in einer Handreichung, ermitteln in mühevoller Kleinarbeit Anhaltspunkte dafür, wo sich der Gesuchte aufgrund seiner Gewohnheiten und Lebensumstände aufhalten könnte, wo er sich vermutlich eine Wohnung sucht, welche Plätze und Lokale er frequentiert. Es gilt also den Lebenslauf des Dr. Pfahls zu studieren: Welche Sprachen spricht er? Wo war er im Urlaub? Kennt er jemanden in Südamerika? Mag er Berge oder Meer? Wo fühlt er sich sicher? Auch das BKA hat sich einige dieser Fragen gestellt und die Antworten ins Internet gestellt: „Dr. Pfahls trinkt gerne Rotwein und Cola. Er raucht Zigarren. Sein Lieblingsessen: Dorade-Fisch und Zwetschgenkuchen. Seine Lieblingsmusik: 60er-Jahre und klassische Musik.“

Tja, nun ist es für den routinierten Zielfahnder wirklich nur noch ein kleiner Schritt: Er gibt all das in eine handelsübliche Internet-Suchmaschine ein, schüttelt einmal kräftig den Monitor – und stößt exactement auf das Restaurant „Vins et Marée“, Paris, 7. Arrondissement, Avenue Suffren. 92 Sitzplätze, im Februar dieses Jahres frisch möbliert.

Warum sollte Dr. Pfahls dorthin gehen? Nun, „pour la qualité et la fraicheur de ses poissons“, lesen wir. Wegen der Qualität des Frischfisches. Und man ahnt es: Eine Dorade in Olivenöl steht auf der Karte. Und selbstverständlich gibt es Cola. Und Rotwein und Zigarren. Und Sechzigerjahre-Musik von Gilbert Bécaud beschallt sanft den Gastraum.

Aber all das hätte Dr. Pfahls nicht dazu veranlasst, den Fehler seines Lebens zu machen. Es ist ein anderes Detail auf der Karte: Die „Tarte aux quetsches“. Ein Zwetschgenkuchen nach einem Rezept aus Elsass-Lothringen. Als Dr. Pfahls am Dienstagmittag vergangener Woche das Dessert bestellte, reichte ein kurzer Anruf des Garçons bei der Gendarmerie. Aber noch klicken nicht die Handschellen …

Dr. Pfahls läuft noch mal die Avenue Suffren entlang, 240 Meter bis zu seinem Appartement. Vom nahen Copy-Shop hatte er zwei Wochen zuvor ein Fax mit einer dringenden Anfrage nach Bayern geschickt – nicht an seinen Anwalt!

Im Juli beginnt am Tegernsee, dort, wo Pfahls über Jahre mit Frau und Kindern lebte, die Zwetschgensaison. Und vom Wirt des Guts Kaltenbrunn ließ sich Dr. Pfahls das Rezept des legendären Tegernseer Zwetschgenkuchens schicken. Um kurz nach zwölf Uhr tritt Dr. Pfahls, wie stets selbstzufrieden lächelnd, auf das Trottoir der Avenue Suffren, das Rezept in der Hand, um es Maître Pierre im „Vin et Marée“ zu überreichen.

Das Weitere ist bekannt. Früher oder später macht jeder einen Fehler. MARKUS SCHUBERT