Schlieffens Plan

ARD und Arte verarbeiten gemeinsam den Ersten Weltkrieg – es war auch der erste Medienkrieg

Ein Greis erzählt von Gasangriffen im 1. Weltkrieg. Darunter steht ein französischer Name und sein Jahrgang. 1897. Zögern. 1897? 107 Jahre! „Und das ist noch nicht mal der Älteste“, beteuert Klaus Wenger, Geschäftsführer von Arte Deutschland, und grinst wie nach einem Schulstreich: „Wir haben sogar einen dabei, der 1894 geboren wurde.“

Da haben die Rechercheure ganze Arbeit geleistet. Aber ein Dokumentarfilmprojekt wie das von ARD und Arte, den Ausbruch des Ersten Weltkriegs 90 Jahre danach mit Augenzeugenberichten zu bestücken, ist ja auch zwingend auf geriatrische Höchstleistungen angewiesen, denn: „Vom ersten Weltkrieg gibt es so viele tolle Bilder“, sagt Helfried Spitra. „Das war nun mal der erste Medienkrieg.“

Und das, obwohl Kinos damals so selten waren wie Amphitheater und die Ufa erst Mitte des Krieges auf Initiative von Generalstabschef Erich Ludendorff zur totalen Mobilmachung gegründet wurde? Aber Kameras waren schon damals offenbar immer dabei. Ohne Ton zwar, der wurde später beigemischt; aber mit eindringlichen, oft bizarr modern wirkenden Bildern. Die Einstellungen von „Gashölle Ypern“ etwa, dem Beitrag über den Giftgaskrieg, oder „Mythos Tannenberg“, dem ARD-Auftaktfilm über die erste große Schlacht – sie sprechen auch ohne Pathos à la Guido Knopp eine klare Sprache.

Der notorische ZDF-Zeitgeschichtler bekommt zwar zum Auftakt bei Arte eine Art Pflichttermin über Wilhelm II. Das war’s aber auch mit den Analogien. Schließlich muss ja keiner mehr von Schuld reingewaschen werden – nicht die Wehrmacht, nicht die Deutschen, nicht die Nachgeborenen, das ist längst konsenstauglich. Deutschland hat die Büchse der Pandora zwar geöffnet, bemerkt der Macher von „Gashölle Ypern“, Heinrich Billstein, „aber alle anderen sind doch begeistert nachgefolgt“.

Um dies darzustellen, haben sich Arte und ARD auch inhaltlich die Arbeit geteilt. Das Erste kümmert sich um die kriegerischen Aspekte, der Kulturkanal um die soziologischen. Fast wünscht man sich, es hätte schon im Dreißigjährigen Krieg Kameras gegeben. Nur mit den Zeitzeugen dürfte es da schwierig werden. JAN FREITAG

ARD (jeweils 21.45 Uhr): 26. 7. „Mythos Tannenberg“, 2. 8. „Gashölle Ypern“, 4. 8. „Verdun“, 9. 8. „Schlachtfeld Heimat“, 16. 8. „Trauma Versailles“ Arte: 21. 7., 20.45 „Der letzte deutsche Kaiser – Wilhelm II.“; 28. 7., 20.45 „Der Untergang des alten Europa“; 30. 7., 22.15 „Der moderne Krieg“, 23.45 „Propagandaschlacht im Ersten Weltkrieg“; 4. 8., 20.45 „Trauma Versailles“