Aufregung und Zuckerguss

Gehört: Thomas Adès und das Belcea Quartett gaben beim SHMF eine zwiespältige Vorstellung

Die Überraschung des Abends kam am Mittwochabend im Schleswiger Schloss Gottorf gleich zu Beginn. Denn Strawinskys Drei Stücke für Streichquartett, 1914 in den USA komponiert, gleichen keinem Werk aus irgend einer Phase des entwicklungsfreudigen Komponisten. Von den ersten Tanztakten der aphoristisch witzigen, prägnanten drei Miniaturen an verfolgte man enthusiasmisert, wie sich da auf kleinstem Raum und mit vergleichsweise kargen Mitteln Rhythmen und Farben und mit ihnen Stimmungen ausbreiten und differenzieren, deren Wirkung – Größe hat eben nichts mit Dimensionen zu tun – andere Komponisten mit hundert Musikern in mehreren Stunden nicht erreichen.

Das Belcea Quartett, das Schwierigkeiten und Witz des Stücks virtuos gewachsen war, zog sich danach zurück und machte Thomas Adès Platz, einem der wenigen erfolgreichen Komponisten unserer Zeit, die zugleich als Konzertpianisten auftreten. In seiner Eigenkomposition Darknesse Visible, in der es um Höhe und Tiefe von Tönen ging, um deren Faktur und um Laut und Leise, breitete sich Ruhe aus, für Adès die Visualisierung von Dunkelheit.

Brittens 1. Streichquartett wirkte dagegen nahezu altmeisterlich mit seinen durch die Stimmen gehenden Themen, den auf ostinaten Celloläufen duettierenden Geigen in Höchstlagen und schönen, bis auf den späten Beethoven rückblickenden, Adagio-Stellen in allen Sätzen, denen freilich – siehe oben – Strawinskys Kürze gelegentlich gut getan hätte.

Schuberts abschließendes Quintett As-Dur, bekannt als Forellenquintett, hätte fürs Gros der Anwesenden Höhepunkt und Hauptvergnügen des Abends sein sollen, so beliebt ist das Stück (und wie so vieles Populäre von Schubert ist es trotzdem gut). Allein, dem Belcea Quartett, preisgekrönt und hoch gelobt für seine Debussy- und Dutilleux-Aufnahmen, scheint Schubert ein Rätsel – und Thomas Adès als Pianist konnte daran nicht viel ändern –, so vibratoverzuckert, biedermeierniedlich und auch klanglich unvorteilhaft ausbalanciert boten sie ihn dar. Vergnüglich aufregend hatte der Abend begonnen. Er endete in gediegener Langeweile. STEFAN SIEGERT