Die Beton-Fraktion

Das Holocaust-Mahnmal kommt aus der Planungs- in die Bauphase. Morgen wird Architekt Peter Eisenman die ersten von 2.753 Stelen präsentieren: Sie sind grau, absolut glatt und aus Beton

von NICOLAI KWASNIEWSKI

Morgen ist es so weit. Vier Jahre sind vergangen seit dem Bundestagsbeschluss zur Errichtung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas. Und morgen wird Architekt Peter Eisenman die Entwürfe für jene Stelen präsentieren, die in tausendfacher Ausfertigung auf dem Gelände südlich des Brandenburger Tores aufgestellt werden sollen. Bereits gestern fand auf dem Gelände der Firma Geithner-Bau die Auswahl statt – nur 10 von ungefähr 25 Versuchsstelen blieben übrig. Die Siegerinnen werden am Samstag in ihrer neuen Umgebung gekürt.

Eigentlich wollte Eisenman Blöcke aus Naturstein. Schiefer sollte es sein, denn die Stelen werden dunkelgrau bis anthrazitfarben sein. Eine Überraschung für viele, in den Modellen des Mahnmals wirkten sie hell. Aus Kostengründen konnte der Wunsch nach Schiefer nicht erfüllt werden. Jetzt wird es Beton. Ein gutes Jahr haben die Firma Geithner-Bau aus Wilhelmshaven, das Institut für Betontechnik Karlsruhe, das Zementwerk Opta Corlor und der Betonsachverständige Bernd Hillemeier von der TU Berlin mit Betonmischungen experimentiert.

Hillemeier: „Die Anforderungen des Architekten an den schwarzen Beton sind sehr, sehr hoch.“ Hunderte verschiedener Betonrezepturen haben die Stelen-Köche ausprobiert. Mit Rüttelbeton, ohne Rüttelbeton, mit sich selbst verdichtendem Beton, verschiedenen Farben, Zusatzstoffen und Gussformen. Das größte Problem war die Oberfläche des Betons. Die soll aussehen wie Naturstein, keine Poren haben und absolut glatt sein. Das ist zwar schwer, aber laut Hillemeier möglich: „Beton ist der innovativste Werkstoff auch dieses Jahrhunderts.“ Deshalb brauchen die Betonmischer eigentlich nur genaue Vorgaben von Eisenman: „Wir von der Beton-Seite können dem Architekten fast jeden Wunsch erfüllen.“ Wenn Eisenman aber keine der Probestelen recht gewesen wäre? „Dann hätten wir ganz schön dumm ausgesehen“, findet Jan-Peter Kuhn von der Firma Geithner-Bau.

Genau 2.753 Stelen werden gebraucht und genau so viele werden gebaut. Der Grundriss ist bei allen gleich, die Höhe variiert von 50 Zentimetern bis 5 Metern. Die erste kann, so Kuhn, Ende September gesetzt werden. Egal welches Modell das Rennen gemacht hat – haltbar sind sie alle. Sommerhitze, Winterfrost, Stürme, saurer Regen, dem Beton ist das egal. „Es ist ausgeschlossen, dass die Stelen kaputtgehen“, sagt Kuhn. Deshalb werden auch keine Ersatzstelen geliefert.

Schließlich hat Geithner-Bau Erfahrung. Die „Kanzlerauge“ genannten Betonteile, die vom Kanzleramt Richtung Spree führen, sind von der Firma gegossen worden, ebenso wie die Betonstützen der mexikanischen Botschaft. Kuhn meint, das Mahnmal bringe noch mehr Renommee. Schließlich müssen die Stelen nicht nur dem Wetter, sondern auch den Blicken von Millionen Besuchern standhalten.

Trotzdem macht die Sommerhitze dem frisch in Form gebrachten Beton zu schaffen – der muss sich nach der Produktion ein paar Wochen in einer kühlen Halle ausruhen –, aber ansonsten kann der Bau des Mahnmals zügig voranschreiten. Bis Mitte nächsten Jahres sollen alle Stelen gesetzt sein. Im Jahr darauf soll das Denkmal eröffnet werden.