Psychologe mit schwieriger Mission

Serbiens Verteidigungminister Boris Tadić, zu Hause einer der populärsten Politiker, will die Armee reformieren

Dass er mit 40 Jahren Verteidigungsminister sein und die gefürchteten Streitkräfte Serbiens und Montenegros reformieren würde, war Boris Tadić, dem Sohn eines Philosophieprofessors, nicht in die Wiege gelegt. Nur halbherzig in seines Vaters Fußstapfen tretend, studierte er Psychologie und promovierte auch in diesem Fach. Für Politik begann er sich als Student zu interessieren, als scharfer Gegner des Regimes Milošević’ in Serbien trat er 1990 in die Demokratische Partei – DS – von Zoran Djindjić ein, war einige Jahre ihr Generalsekretär und danach einer der vier Vizepräsidenten der Partei.

Nach der Wende im Jahr 2000 wurde Tadić überraschend Bundesminister für Telekommunikation. Experten wunderten sich, weil auf diesen heiklen Posten, von dem aus auch die elektronischen Medien zu reorganisieren waren, ein Laie berufen wurde. Nach einigen Monaten wunderten sie sich noch mehr. Tadić hatte sich eingearbeitet, dank seiner perfekten Englischkenntnisse konnte er sich leicht informieren, und er schien mit dem neuen Tätigkeitsbereich sehr zufrieden.

Der Mord an Ministerpräsident und Parteichef Djindjić änderte mit einem Schlag auch Tadić’ Arbeitsbereich. Kurz davor waren Serbien und Montenegro eine Staatengemeinschaft eingegangen, Serbien sollte das Verteidigungsressort im gemeinsamen Ministerrat übernehmen. Dafür war ein anderer Vizepräsident der DS vorgesehen, Zoran Živković. Nach dem Tod Djindjić’ wurde Živković jedoch Premier Serbiens, und Tadić erhielt das Ressort Verteidigung.

Mit überraschender Energie begann er die über 60.000 Mann starke Armee zu reformieren. Als Ziel proklamierte er den Beitritt zur Partnerschaft für den Frieden, eines Tages auch den zur Nato. Dabei waren es Flieger der Nato, die Serbien 1999 bombardiert hatten. Und dieselben Generäle, die im westlichen Militärbündnis stets den Feind gesehen hatten und ihm jetzt beistehen sollen.

Tadić wäre kein gelernter Psychologe, wenn er nicht wüsste, dass er die meist 20 Jahre älteren Generäle verunsichert hat – treffender gesagt: dass sie ihn nicht leiden können. Deshalb spricht er nicht von Säuberung, wenn er jetzt über 200 hohe Offiziere in den Ruhestand versetzt hat, sondern von notwendigen Reformen. Als Trost gibt es eine Erhöhung des Solds um 10,5 Prozent.

Mit seinem ranghöchsten Experten, Generalstabschef Branko Krga, ist der Minister nicht ganz zufrieden, aber alle Stabsoffiziere sind zu Milošević’ Zeiten ernannt worden. Deshalb hat er sich als Berater auch einen britischen und einen israelischen General genommen. Das führte zu wütenden Kommentaren im serbischen Generalkorps, man würde sich nicht von „englischen Sergeanten“ auf der Nase herumtanzen lassen.

In Serbien, wo nicht nur der Premier, sondern vor mehreren Jahren auch ein Vorgänger Tadić’, der damalige Verteidigungsminister Pavle Bulatović, erschossen wurde, lebt der Vater zweier Kinder, der Mann mit dem Gesicht eines Knaben, aber schon fast ganz weißem Haar, höchst gefährlich. Laut Umfragen ist er jedoch einer der populärsten Politiker sowohl im Land als auch in seiner eigenen Partei. Mit der Reform der Armee hat er allerdings eine Aufgabe übernommen, die an die Strafe erinnert, die Götter gegen Sisyphos verhängt haben. IVAN IVANJI