„Leute, seid ihr wahnsinnig?!“

Der Senat will der Bremer AIDS-Hilfe zum Ende des Jahres das Geld streichen. Um sich vor dem drohenden Aus zu retten, startet die Einrichtung jetzt den „Big Deal“. Die taz sprach mit Geschäftsführer Thomas Fenkl über den letzten Rettungsversuch

Bremen taz ■ Seit 1997 setzt sich Thomas Fenkl als Gechäftsführer der AIDS-Hilfe Bremen für die Belange der HIV-Positiven ein. Dort fühlen sie sich aufgehoben, bekommen unbürokratische Hilfe in schwierigen Lebenslagen. Doch sie fiel dem Rotstift zum Opfer: In ihrem Koalitionsvertrag beschlossen SPD und CDU die Streichung der bisherigen 160.000 Euro Förderung. Mit einer ungewöhnlichen Spendenaktion (siehe Kasten) möchten Fenkl und seine Mitarbeiter die Politiker zum Nachgeben bewegen.

taz: Herr Fenkl, wie viele Personen haben sich bis jetzt am „Big Deal“ beteiligt?

Im Moment haben wir 32 Erstunterzeichner.

Wird die AIDS-Hilfe Bremen in Zukunft privat finanziert?

Der „Big Deal“ ist eine sozialpolitische Katastrophe. Wenn man sich vorstellt, dass ein Träger der öffentlichen Gesundheitspflege keine Zuwendungen mehr erhält, losgeht ins Land der eh schon gebeutelten Bürger und deren sauerverdientes Geld fordert, damit die sich die AIDS-Hilfe selbst finanzieren, sind wir bei amerikanischen Verhältnissen.

... für Sie eine abschreckende Vorstellung?

Das ist etwas, bei dem ich verlange, dass jede Dachorganisation uns die Bude einrennt und sagt: „Leute, seid ihr wahnsinnig?!“

Wozu dann also der „Big Deal“?

Ich will mit dem „Big Deal“ ein Zeichen setzen. Das Zeichen: Es sind 160 Bremer BürgerInnen da, die für die Bremer AIDS-Hilfe einstehen. Ich will, dass wir mit diesem Koffer virtuellen Geldes zum Senat rennen und sagen: „Jetzt habt den Mut: Schaut uns ins Gesicht und schlagt uns den Rest auch noch ab!“

Mit welcher Begründung soll denn die AIDS-Hilfe geschlossen werden?

Ich hatte beim Senat um eine inhaltliche Begründung gebeten. Wie ich hörte, rennt die zuständige Sachbearbeiterin im Moment auf der Suche danach durchs Haus. Sie muss dabei inzwischen recht verzweifelt sein, denn es gibt meines Wissens keine.

Haben Sie rechtliche Schritte gegen den Kürzungsbeschluss eingeleitet?

Es gilt das Subsidiaritätsprinzip. Das heißt, die Arbeit von freien Trägern ist vorrangig zu behandeln vor gesetzlichen Trägern. Dieses Prinzip wird bei diesem Beschluss grundsätzlich missachtet, denn das Gesundheitsamt wird uns vorgezogen. Zusätzlich kann die Politik nicht eine bestimmte Einrichtung schließen, das ist Verwaltungssache. Also werden wir einen Prozess führen.

Wie haben die verschonten Einrichtungen, also Rat&Tat Zentrum und Gesundheitsamt, reagiert?

Sagen wir mal so: Die haben sich sehr sparsam im Hintergrund gehalten. Ansonsten hat dieser politische Beschluss aber eine ungeahnte Welle der Solidarität in Bewegung gesetzt. Wir haben über 2.000 Solidaritätsadressen bekommen. Außerdem haben wir innerhalb von sechs Tagen 3.200 Unterschriften gesammelt, ohne dass wir selber losgezogen wären.

Was versprechen Sie sich von diesen Aktionen?

Wir haben SPD-Landesparteitage besucht, und die Genossen waren schon beeindruckt von der Menge der Proteste. Teilweise waren Mail-Adressen deaktiviert und die Telefone ausgestellt, weil es sie einfach überflutet hat. Aus internen Kreisen habe ich gehört, dass sie mit so viel Widerstand nicht gerechnet hatten.

Darauf setzen Sie jetzt Ihre Hoffnung?

Es wäre doch absurd, zu denken, dass sich eine Röpke hinstellt und sagt: „Oh, das war alles ein großer Irrtum, wir nehmen alles zurück.“

Thorsten Busch, Melike Wulfgramm