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: Russische Revolution hält Englands Liga flott

Saisonstart mit dem FC Chelski

Heute ist es endlich so weit: Der Rubel, pardon, der Ball rollt wieder in der englischen Premier League. Seit Roman Abramowitsch im Juni mit über 200 Millionen Pfund an Bord seines Privatjets in Heathrow landete, sind die Karten neu gemischt, die Machtverhältnisse auf der Insel neu geordnet. Arsène Wenger, der kluge Fußballprofessor, hatte das ja schon im Sommer 2002 vorhergesagt, auch wenn er damals noch den eigenen FC Arsenal als Hegemonialmacht der kommenden Jahre identifiziert hatte.

Dass im Mai doch wieder das unersättliche Manchester United den Titel holte, konnte der Franzose noch gerade verkraften, doch diese Saison wird ihm sogar die Vorherrschaft in der eigenen Stadt streitig gemacht. Ausgerechnet die Londoner Rivalen vom FC Chelsea pumpen Abramowitschs Petro- und Aluminiumdollars mit einer Vehemenz in den brachen Transfermarkt, dass es einem schwindlig werden kann. Claudio Ranieri durfte für 75 Millionen Pfund sieben neue Spieler holen. Und bis Ende des Monats sollen noch der bei Real Madrid wegen Unterbezahlung im Trainingsstreik befindliche Claude Makelele, Edgar Davids oder Samuel Eto’o kommen.

So viel Kaufkraft hat beim Liga-Establishment für Neid und Wut gesorgt. Dass der „FC Chelski“ (The Independent) trotz des absurden Geldregens mit einem nüchternen Plan zu Werke geht, macht es für die Konkurrenz nur noch schlimmer. Mit Joe Cole, Glen Johnson und Wayne Bridge hat Ranieri drei englische Jungnationalspieler geholt, die von ausländischen Spitzenkräften wie Juan Sebastian Verón, Geremi und Damien Duff geführt werden sollen. Abramowitsch stellt sich sein Team als „Mischung von Real und United“ vor. Ob der Trainer aus dem hochgezüchteten Kader schon diese Saison eine echte Mannschaft formen kann, ist die große Frage, von der der Ausgang der Saison abhängen wird.

Anderswo hätte man gerne solche Probleme. United, bisher der unangefochtene Krösus, wollte den zu Real abgewanderten Asiaten-Schwarm David Beckham eigentlich durch Ronaldinho ersetzen, doch Barcelona verhandelte klüger. Chelseas 15 Millionen Pfund für den Argentinier Verón konnte Alex Ferguson nicht ausschlagen, bei Duff und Cole machten die neureichen Blauen das Rennen, und um ein Haar hätte die russische Revolution auch noch Cristiano Ronaldo an die Stamford Bridge gelockt; um Abramowitsch auszubooten, musste Sir Alex für den 18-Jährigen stolze 8,5 Millionen Pfund an Sporting Lissabon überweisen. Das defensive Mittelfeld sollen der brasilianische Weltmeister Kleberson und der Kameruner Eric Djemba-Djemba verstärken. Dass Manchester bei den Buchmachern immer noch der Favorit auf den Titel ist, liegt weniger an den Neuzugängen als an den klammen Verhältnissen bei der Konkurrenz.

Arsenals Stadionneubau verschlingt Unsummen und hat dem Klub 42 Millionen Pfund Schulden eingebracht, sodass Wenger sparen muss. Jens Lehmann ist neben einigen jungen Talenten der einzige namhafte Neue. Auch Gérard Houllier kann beim FC Liverpool nicht mehr aus dem Vollen schöpfen. Er peilt wie jedes Jahr den ersten Titel seit 1991 an, doch die Experten sind skeptisch, denn dem Team fehlt es an Kreativität. Abramowitschs Geldinfusion hält den ganzen Laden einigermaßen flott, doch der Optimismus in der Liga ist keineswegs grenzenlos. So steht Leeds nach dem Verkauf von zehn Spitzenspielern immer noch am Rande der Insolvenz.

Wenigstens konnte Tony Ball in der Vorbereitung gute Ergebnisse präsentieren. Sein Pay-TV-Sender Sky schreibt mit knapp 7 Millionen Abonnenten zum ersten Mal schwarze Zahlen. So ist der Vorstandsvorsitzende in der Lage, ab 2004 für drei Jahre 1,02 Milliarden Pfund an die Premier League zu überweisen. Die BBC lässt sich die Rückkehr des geliebten Highlight-Programmes „Match of the Day“ 100 Millionen Pfund kosten. Zwar kassieren die Klubs dennoch etwa 300 Millionen weniger als vorher, doch damit lässt sich in diesen schweren Zeiten leben. Es kann ja nicht jeder einen fußballverrückten Ölmilliardär zum Chef haben.

RAPHAEL HONIGSTEIN