Bonn hält das Patent am grünen Daumen

Wissenschaft für den Pflanzenwuchs. Ein neuartiger Dünger will es Pflanzenfreunden jetzt ganz einfach machen – Wissenschaftler an der Universität Bonn haben ein einfaches und umweltschonendes System entwickelt, das über die richtige Wachstumsdosis wacht

Die Dosis macht das Gift, die Paracelsus-Weisheit gilt auch fürs Düngen: Bei Nährstoff-Notstand verkümmert das Veilchen. Auch zu viel Dünger kann der grünen Pracht den Garaus machen. Agrarwissenschaftler der Universität Bonn haben nun einen Dünger zum Patent angemeldet, der auch Pflanzenliebhabern ohne „grünen Daumen“ helfen soll.

Ein Düngerdepot gibt hier über Monate hinweg die passende Nährstoff-Menge ab, ohne den Boden zu versalzen. Auch Gärtnereien könnten von dem umweltschonenden Verfahren profitieren. Die Wissenschaftler suchen noch nach Partnern, die den Depotdünger in Serie produzieren.

Mit den Düngestäbchen hat die Neuentwicklung indes nichts gemein: „Die halten nur vier bis sechs Wochen – je häufiger man gießt, desto kürzer“, erklärt Maria Hogrebe, die in Bonn über Pflanzenernährung promoviert: „Unser Ziel ist, dass der Gärtner nur einmal pro Jahr den Depotdünger zugibt und sich danach nicht mehr darum kümmern muss.“ Das Care-Paket für Zimmerpflanzen besteht aus einem Kunststoffbecher, der mit einer Trägersubstanz gefüllt ist – ein Schlüssel des neuen Verfahrens: „Er kann Nährsalze wie Kalzium, Magnesium oder Eisen, aber auch Stickstoff- oder Phosphorquellen binden und nach Bedarf an die Pflanze abgeben“, sagt die Wissenschaftlerin, die bei der Uni-Ausgründung GeWiTra (Gesellschaft für Wissenstransfer) beschäftigt ist.

Schon nach kurzer Zeit umschließt ein dichtes Wurzel-Geflecht das Nährstoff-Depot in der Blumenerde, das später nur unwesentlich mehr kosten soll als gebräuchliche Dünger. „Die Pflanze nimmt sich, was sie braucht“, sagt auch Heiner Goldbach, Direktor des Instituts für Pflanzenernährung – anders als bei herkömmlichen Depots, bei denen der Dünger von porösem Kunststoff umhüllt ist: Bei denen hängt die Abgaberate hauptsächlich von Temperatur und Feuchte ab. Und das kann je nach Entwicklungsstadium und Pflanze zu viel oder zu wenig Düngung bedeuten.

Und noch etwas spricht für die Plastik-Power-Packs: Bei der Anzucht im Freiland wird ein Großteil des Düngers nicht von den Wurzeln aufgenommen, sondern beim Gießen ausgewaschen. Mögliche Folge ist eine erhöhte Nitratbelastung des Bodens und des Grundwassers. Daher müssen Anzuchtbetriebe für Heidekraut ihre Beete sogar mühsam mit Plastikfolie abdichten, damit die Nährstoffe nicht ins Grundwasser gelangen. „Derartige Düngemittelverluste sind bei unserem Verfahren weitaus geringer“, so Professor Goldbach, „die Nährsalze kommen wirklich dort hin, wo sie benötigt werden.“

Wie gut das funktioniert, zeigen ein knappes Dutzend Ficus Benjamini-Exemplare, die im Ersten Stock des Instituts Spalier stehen: „Seit dreißig Monaten düngen wir sie mit unseren Depots; wir haben die Behälter erst einmal gewechselt“, sagt Maria Hogrebe und zeigt auf den üppigen Mini-Ficus-Wald. Doch nicht alle Pflanzen haben die gleichen Ansprüche. Daher versucht die Doktorandin momentan, den Düngemix für verschiedene Kulturen zu optimieren.

Häufig haben Gärtnereien zudem mit einer extremen Salzanreicherung in den oberen Bodenschichten zu kämpfen: Viele Betriebe bewässern ihre Jungpflanzen von unten, beispielsweise, indem sie die Plastiktöpfe regelmäßig anstauen oder auf ein Steinwollvlies stellen und dieses feucht halten. Dabei setzen sie dann auch direkt die nötigen Nährsalze zu. Die werden aber nur unvollständig von der Pflanze aufgenommen. Wenn das Wasser im Topf nach oben steigt und schließlich verdunstet, bildet sich an der Oberfläche mit der Zeit eine extrem nährsalzhaltige Schicht. „Dann gießt der Käufer seine Usambaraveilchen zu Hause ein paar Mal von oben, wäscht die Nährsalze Richtung Wurzelballen aus, und plötzlich ist es mit der Pracht vorbei“, so Goldbach, „im schlimmsten Fall kann die Pflanze sogar eingehen.“

Selbst die Profis sind vor Enttäuschungen nicht gefeit: Eine der Neuerwerbungen Goldbachs fiel jüngst fast einem Düngeschock zum Opfer – nur ein Auswaschen des Wurzelballens und Umtopfen rettete das junge Pflänzchen. HOLGER ELFES