Szenen einer Briefehe: Margrit Straßburger mit einem Soloprogramm im Logensaal der Kammerspiele
: „Liebe Olga, mein Engel, schreib deinem alten Mann öfter“

„Mein Krokodil“, nannte er sie spröde, „mein Hündchen“, „meine kleine Deutsche“. Sie nannte ihn dafür „mein zärtlicher Poet“. Ein andermal befahl er: „Lieb mich, verschling mich mit Essig und Olivenöl.“

Sätze eines Liebenden im Banne seiner Leidenschaft, Ausdruck des außergewöhnlichen Gefühls eines außergewöhnlichen Dichters. Als Anton Tschechow die deutsche Jüdin Olga Knipper 1899 bei einer Lesung der Irina Arkadina aus seiner „Möwe“ begegnete, war er 38 Jahre alt, sie 30. Er war ein großer Dichter. Sie der Publikumsliebling des Moskauer Künstlertheaters.

Beide waren hingerissen voneinander, zwei Jahre später heirateten sie. Und das Leben trennte sie auf immer. Ihn zwang die Lungen-Tuberkulose zur Abreise ins warme Jalta. Sie hielten ihre Bühnenpflichten in Moskau bei Regisseur Konstantin Stanislawski fest.

Ihre Liebe wurde eine Fernbeziehung über 2.000 Kilometer. Tageweise gelebt, wenn der Probenplan es erlaubte. „Eine Ehe im Spagat“, beschreibt die Hamburger Schauspielerin Margrit Straßburger diese Verbindung. Ein Spiel um Anziehung und ein Ringen um die eigene Freiheit, ohne die beide so wenig existieren konnten wie ohne einander. Und gerade diesen tragischen Umständen verdanken wir eine der schönsten Briefehen der Geschichte, die nach nur fünf Jahren mit seinem Tode enden sollte.

In diesem Jahr jährt sich der Todestag des Erfinders von „Kirschgarten“ und „Möwe“ zum einhundertsten Mal. Sein dramatisches und erzählerisches Werk ist präsenter denn je, viele junge Regisseure lesen darin die Verlorenheit des 21. Jahrhunderts. Der Todestag ist willkommener Anlass für die Wahlhamburgerin Straßburger, ihr Soloprogramm „Mein zärtlicher Poet“ über die private Seite des Dichters noch einmal im Logensaal der Hamburger Kammerspiele aufzuführen.

„Kaum jemand weiß, dass Tschechow für Olga die Mascha aus den „Drei Schwestern“ geschrieben hat. Die einzige, die aus dem bürgerlichen Milieu ausschert“, erzählt die Schauspielerin, die sich ebenfalls durch eine Brieffreundschaft nach Russland für das Land und seinen berühmten Dichter begeisterte. Nach der Ernst-Busch-Schauspielschule spielte sie an der Berliner Volksbühne starke Frauenrollen, wie die Mieze in „Berlin Alexanderplatz“. Nach acht Jahren reifte der Wunsch, selbst starke Frauenschicksale aufzuspüren. Und fortan inszenierte sich Margrit Straßburger selbst in Chansonabenden und szenischen Soloprogrammen, die sie „literarische Kammerspiele“ nennt.

Olga Knipper ist da eine reizvolle Figur. „Das ist so eine spannende Geschichte mit den beiden. Ich musste das einfach machen“, erzählt Margrit Straßburger begeistert. Olga, Tochter jüdischer Einwanderer, war eine Zerrissene. Sie litt an der Distanz, aber sie liebte ihren Beruf. Sie litt auch darunter, dass sie Teil einer menage à trois war, zu der noch Tschechows Schwester Maria Pawlowna gehörte. Sie war am Ende diejenige, die sich um seinen Nachlass kümmerte und den größten Teil seines Besitzes erbte.

Auf der Bühne möchte Straßburger, unterstützt von Pianist Sven Selle, „so authentisch wie möglich“ sein. Grundlage sind die Briefvorlagen. Sie wird Olga Knipper sein, mal in ihrer Rolle als Arkadina, mal als liebende Gattin. „Meine liebe Olga, sei nicht faul, mein Engel, schreib deinem alten Mann öfter“, flehte Tschechow einmal. Olga Knipper überlebte ihren Mann um 50 Jahre und hat nie wieder geheiratet. Caroline Mansfeld

Fr + Sa, 19.30 Uhr, Logensaal der Hamburger Kammerspiele