USA wollen türkische Soldaten für den Irak

Washington drängt Ankara, Truppen in den Irak zu schicken. Doch der Verbündete bleibt unberechenbar

ISTANBUL taz ■ Offener konnte man es nicht ausdrücken. US-Kongressmann Mark Steven Kirk, ein enger Freund des Verteidigungsministers Donald Rumsfeld, erläuterte kürzlich im Sender CNN-Türk, warum die Türkei Soldaten in den Irak schicken muss: „Das ist eure letzte Chance, die Beziehungen zu den USA wieder ins Lot zu bringen“, sagte Kirk. „Irakische Terroristen“ seien darauf aus, so viele Amerikaner wie möglich zu töten, um ein Vietnamsyndrom zu erzeugen. „Wenn sie einen Soldaten aus Aserbaidschan oder Equador töten, wird ihnen das nichts bringen.“ Ähnlich offene Worte bekam Außenminister Abdullah Gül vor zwei Wochen in Washington zugeflüstert: Schickt Truppen in den Irak, und wir unterstützen euch gegen euer Militär im Inland, machen Druck für euren EU-Beitritt und sorgen für den ungehinderten Fluss der IWF-Kredite.

Worauf die AKP-Regierung sofort Delegationen aus Zivilisten in den Irak schickte, um die Stimmung und bestmögliche Einsatzgebiete auszuloten. Ergebnis: Die meisten Iraker wollen überhaupt keine Ausländer mehr in ihrem Land, türkische schon gar nicht. Trotzdem kam das Thema vor zwei Tagen auf höchster Ebene in Ankara zur Sprache. Gegen den erklärten Widerstand des türkischen Staatspräsidenten Ahmet Necdet Sezer, der den Einsatz ablehnt, setzte die Regierung einen US-freundlichen Beschluss durch: „Die Türkei wird auch ohne UNO-Mandat im Eigeninteresse handeln.“ Die Zahl der Soldaten wird inoffiziell mit 10.000 beziffert.

Mit der Kabinettsentscheidung ist es aber nicht getan. Für den Einsatz bedarf es eines Parlamentsbeschlusses, und den zu bekommen wird für Premier Tayyip Erdogan nicht leicht werden. Zwar hat die AKP mittlerweile eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, aber nicht alle Abgeordnete wollen mitmachen. „Dieses Parlament wird unsere Soldaten niemals zu Schutzschilden der Amerikaner machen“, sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AKP, Eyüp Fatsa. Auch der Abgeordnete Resul Tosun meint: „Jeder tote Soldat wird das Ende unserer Regierung beschleunigen.“ Und der General Cetin Dogan, Kommandant der ersten Heeresdivision, erinnert an den Satz des Republikgründers Mustafa Kemal: „Ein Krieg ohne Legitimation ist Mord.“

Die sozialdemokratische Opposition im Parlament will geschlossen gegen den Einsatz stimmen; linke Intellektuelle und Friedensbewegung blasen zum Kampf, und auch die islamischen Vereine erinnern die AKP daran, dass im Irak Glaubensbrüder leben. Nach Umfragen lehnen rund 80 Prozent der Türken einen Irakeinsatz ab.

So versucht nun die AKP-Führung im Gegenzug Zusagen aus Washington zu bekommen. Um nicht zusammen mit den verhassten GIs und Briten auftreten zu müssen, sollen die türkischen Soldaten in einem eigenen Sektor unter türkischem Kommando operieren. Dieser könne im Norden Bagdads um die Stadt Tikrit herum oder im Süden, im schiitischen Gebiet, liegen – beides Regionen, die den Amerikanern am meisten Sorgen bereiten. Zu Ankaras Forderungen zählt auch eine weitere türkische Militärpräsenz im Nordirak – eine Forderung, die bei den Kurden im Irak auf wenig Gegenliebe stoßen wird. Ferner sollen türkische Baufirmen bei den Aufträgen zum Wiederaufbau des Iraks beteiligt werden.

Das Parlament soll Anfang September auf einer außerordentlichen Sitzung über die Truppenentsendung abstimmen. Das Ergebnis ist völlig offen, und die Friedensbewegung will wieder alles tun, damit die Amerikaner eine Absage bekommen – auch wenn Washington damit droht, die Türkei im Irak völlig außen vor zu lassen.

DILEK ZAPTCIOGLU