Die Bundeswehr auf dem Rückzug

Luftwaffe verzichtet auf den Beginn der Übungsflüge über dem brandenburgischen „Bombodrom“ am 18. August – und kommt einem Urteil damit zuvor. Bis 30. September entscheidet das Verwaltungsgericht endgültig, ob die Tiefflieger starten dürfen

von NICOLAI KWASNIEWSKI

Die Bundeswehr hat im Streit um den Bombenabwurfplatz Wittstock, das so genannte Bombodrom, nachgegeben. In einem Erörterungstermin am Verwaltungsgericht Potsdam verzichtete die Bundeswehr am vergangenen Donnerstag nach eigener Aussage „freiwillig“ darauf, die Tiefflüge wie geplant am 18. August aufzunehmen. Die Begründung: Dem Verwaltungsgericht Potsdam solle Gelegenheit gegeben werden, „den komplexen Sachverhalt ohne Zeitdruck zu bewerten“. Damit kam die Bundeswehr einer zu erwartenden gerichtlichen Untersagung der Tiefflüge zuvor.

Klägeranwalt Reiner Geulen wertet den Rückzug als „wichtigen Etappensieg“ der Bombodrom-Gegner. Er äußerte sich zufrieden darüber, dass das Gerichtsverfahren nicht „vom Druck donnernder Tiefflieger“ belastet werde. Mindestens bis zum 30. September wird es also ruhig bleiben rings um das Bombodrom. Bis dahin will das Gericht über vier Eilverfahren entscheiden, die gegen den Truppenübungsplatz vorliegen. Geklärt werden muss, ob die mittlerweile 14 Klagen aufschiebende Wirkung haben, den Flugbetrieb also weiter verhindern. Erkennt das Gericht auf vorläufigen Rechtsschutz, wird während der Verhandlung der eigentlichen Klagen kein Kampfjet über die Kyritz-Ruppiner Heide donnern – Rechtsanwalt Geulen rechnet mit einer Verfahrensdauer von mindestens einem Jahr. Seine Kanzlei vertritt in zwölf Klagen Anrainergemeinden, Initiativen und Naturschutzverbände. Auch Mecklenburg-Vorpommern, zwei Kilometer vom Bombodrom entfernt, hat mittlerweile eine eigene Klage eingereicht – Brandenburg verhält sich neutral.

Unklar ist noch, was die Beschwerde der Initiative „Freier Himmel“ bei der EU-Kommission für Ergebnisse bringt. Die letzte Beschwerde war aufgrund falscher Zahlen abgelehnt worden: Die Kommission war von 161 Tiefflügen pro Jahr ausgegangen, die geplanten 1.700 Einsätze jährlich entsprechen dagegen nach Angaben der Gegner bis zu 15.000 Flügen. Eine weitere Beschwerde des BUND Mecklenburg-Vorpommern wird erst in einigen Monaten Ergebnisse zeitigen. Als letzte Konsequenz könnte die EU-Kommission Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen.

Das Verteidigungsministerium scheint indes nicht mehr so zuversichtlich zu sein, was die Erfolgsaussichten des Bombodroms betrifft. Der Sprecher der Luftwaffe enthält sich seit dem Teilrückzug vor Gericht jedes Kommentars und verweist auf die Presseerklärung. Darin greift Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) die Gegner des Truppenübungsplatzes an und wirft ihnen vor, „sich selber das Wasser abzugraben“, weil sie die Region schlecht redeten.

Winfried Nachtwei, verteidigungspolitischer Sprecher der Grünen und Bombodrom-Gegner, findet die jüngste Entwicklung „erfreulich“. Er hält den Rückzieher der Bundeswehr vor Gericht für „die letzte Klugheit in der Verstocktheit“. Er glaubt, das Verteidigungsministerium unterschätze die „Tiefe und Breite des Widerstands“ in der Wittstocker Heide und bereite sich nicht gründlich genug vor. „Das Bedürfnis, den attraktiven Platz zu bekommen, vernebelt der Bundeswehr den Blick“, so Nachtwei.

Peter Struck hatte die Inbetriebnahme des Bombodroms am 9. Juli angeordnet, die sofortige Vollziehung jedoch vergessen. Die Dringlichkeit begründet er mit „veränderten sicherheitspolitischen Anforderungen nach den Anschlägen in den USA vom 11. September 2001 und neuen verteidigungspolitischen Richtlinien für schnelle Bundeswehreinsätze in Krisenregionen“. Warum das erst im Juli 2003 gilt, wird nicht erklärt.