Der starke Mann für das Große

Atlantikkabel, Suezkanal, Öresundbrücke – die ganz großen Abenteuer für Ingenieure scheinen vorbei zu sein. Doch nicht für Wolf-Dietmar Starke. Er baut die Konkurrenz für Hamburg – den Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven

„Unsere Projekte haben den Menschen in der Region wieder eine wirtschaftliche Perspektive gegeben“„Die Menschen wollen nicht nur im Grünen leben. Unsere Projekte schaffen erst eine reizvolle Region“

aus Emden Thomas Schumacher

„Schwierigkeiten sind das Salz in der Suppe eines Ingenieurs“, sagt Wolf-Dietmar Starke. Ein Lächeln gleitet über seine Lippen. Doch er hat schwer zu schlucken. Sein letzter Job als Chef des Projektteams Emssperrwerk bei Emden nämlich ist noch nicht ganz beendet. Beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg wartet das abschließende Verfahren, das die Rechtmäßigkeit des 2002 in Betrieb genommenen Stauwerkes prüfen wird. Trotzdem wühlt Starke schon in der nächsten Baukuhle.

Der Beamte ist als Leitender Baudirektor des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft und Küstenschutz (NLWK) beurlaubt. Stattdessen baut er als stellvertretender Geschäftsführer der Jade-Weser-Port Entwicklungsgesellschaft den neuen Tiefseehafen in Wilhelmshaven (geplante Fertigstellung: 2010). Auch hier erwartet ihn viel Salz in der Suppe. Und diejenigen, die Starke in dieselbe spucken wollen, stehen schon bereit.

„Man kann nicht von solchen Projekten wie Emssperrwerk oder dem Tiefwasserhafen träumen, das wäre zu vermessen. Es ist Zufall, wenn ich Anteil an diesen Bauwerken habe“, meint der Ingenieur etwas zu bescheiden. Denn gerade er hat im Clinch mit Naturschützern und Gerichten umstrittene Baumaßnahmen durchgeboxt. „Die Herausforderung als Ingenieur ist vielfältig und spannend. Aber bei solchen Großbauten muss man auch die Kommunikation zwischen Politik, Wirtschaft und Projektausführung organisieren“, erklärt der Ingenieur diplomatisch.

Die Politik gibt, wie beim Jadeport, das Signal, dann muss die Planung zwischen Wirtschaft und Wirtschaftlichkeit lavieren und eine kostengünstige Lösung finden. Andere Belange, wie der Naturschutz, haben da bisweilen zurückzustehen. „Unsere Projekte haben den Menschen in der Region wieder eine wirtschaftliche Perspektive gegeben“, meint Starke.

Im Falle des Tiefwasserhafens Wilhelmshaven ist die Kommunikation besonders schwierig, denn gleich drei Bundesländer haben hier das Sagen. Zwar haben sich Bremen, Hamburg und Niedersachsen geeinigt, den Jade-Weser-Port zu unterstützen. Aber sowohl Bremen als auch Hamburg bauen ihre eigenen Containerkapazitäten aus, mit verheerenden ökologischen Folgen für die Ästuare der Elbe und Weser.

Ob Wilhelmshaven tatsächlich die Riesencontainerschiffe anlockt, die nicht in Hamburg oder Bremerhaven anlanden können, ist ungewiss. Gerade wird der Überseehafen Rotterdam erweitert und in Portugal entsteht ebenfalls ein für den Transatlantik-Verkehr günstiger Tiefwasserhafen. „Eine europäische Lösung der Hafenpolitik widerspricht deutschen und besonders niedersächsischen Interessen“, mit diesem Credo norddeutscher Politiker kontert Starke eine Forderung europäischer Umweltverbände und Wirtschaftsexperten. Die verlangen eine koordinierte, europäische Hafenpolitik. Werften und Reeder organisieren sich schließlich auch grenzenlos. Auch die Tatsache, dass der Jadeport noch keinen Betreiber hat, beunruhigt Starke nicht: „Ich bin Ingenieur, das Betriebswirtschaftliche regeln andere.“

Aber auch der Bau selbst ist nicht von Pappe. Die Aktionskonferenz Nordsee, der BUND Niedersachsen, der WWF und der niedersächsische Landesverband der Bürgerinitiativen Umweltschutz haben sich mit ihrer Kritik für das jetzt anlaufende Planfeststellungsverfahren schon aufgestellt: Die Berechnungen über die Strömungsverhältnisse der Nordsee im Bereich seien stümperhaft, die Auswirkungen des neues Hafens auf den nahe liegenden Nationalpark Wattenmeer nicht ausreichend untersucht, das eklatante Verkehrsproblem mit über 1.800 zusätzlichen LKW täglich nicht gelöst, stellt die Aktionskonferenz Nordsee fest. Außerdem sei der Voslapper Groden, wo der Hafen entstehen soll, als europäisches Vogelschutzgebiet auszuweisen, protestieren die Umweltverbände unisono. Bei der Europäischen Kommission haben sie diesbezüglich schon interveniert.

Starke kennt „seine“ Umweltschützer schon lange. Beim Bau des Emssperrwerkes haben sie ihm einen einjährigen Baustopp abgetrotzt: „Das war für uns nicht nur kostspielig, sondern auch sehr bitter. Aber das Verfahren war notwendig und gesetzlich vorgeschrieben.“ Erwartet ihn beim Tiefseehafen eine ähnliche Schlappe? „Nein“, gibt er sich zuversichtlich: „Ich sehe doch so einen Bau nicht eng als Ingenieur. Ich schaue schon auf die Folgen und danach, ob ich die verantworten kann.“

Dann denkt Starke laut: „Ist es nicht merkwürdig, dass wir vor 30 Jahren den Voslapper Groden erst als Industriegebiet aufgespült haben und jetzt soll das Naturschutzgebiet sein? Da ist die Politik gefordert, das Richtige zu tun.“ Das Richtige für ihn ist klar: „Die Menschen wollen nicht nur im Grünen leben, sie brauchen Arbeit. Unsere Projekte schaffen Arbeit. Und sie fördern erst eine landschaftlich reizvolle Region.“

Denn ökologisch wie ökonomisch notwendige Bauwerke, so der Ingenieur über das Emssperrwerk und auch den Jadeport, schafften erst die baulichen Akzente, die die Menschen auf die Landschaft aufmerksam machen. „Dann erst“, glaubt Starke, „sind die Menschen bereit, diese Landschaft zu schützen, weil sie sehen, dass sie ihnen auch nützt.“