DIE ACHSE DES BALKANS – VON DANIEL BAX: Ein Lastkahn auf der Adria
Der Kroate Darko Rundek ist einer dieser Allround-Künstler, wie sie einem im Ostblock einst häufiger begegnen konnten: Im alten Jugoslawien kannte man ihn als Kopf der beliebten Jugorock-Band „Haustor“. Daneben trat er aber auch als Schauspieler, Theaterregisseur, Filmkritiker, Dichter und Radio-Macher in Erscheinung.
Als das alte Jugoslawien in Stücke fiel, flüchtete Darko Rundek aus Zagreb nach Paris, wo er eine Hand voll von heimatlosen Musikern aus allen Teilen Mitteleuropas um sich scharte: Sie bilden das so genannte Cargo Orkestar.
Der Name geht auf ein Schiffsabenteuer zurück, das Darko Rundek mit dem kroatischen Elektronik-Musiker Verdan Peternel erlebte: An Bord eines Cargo-Schiffs schipperten die beiden während der Kriegsjahre an der Adria entlang und schickten von dort aus surreale Lieder und Texte in den Äther.
Mit dem Cargo Orkestar lässt er diese Stimmung wieder aufleben: In Peternels Atelierstudio in Paris traf sich die Band, um ein gutes Dutzend melancholische Balladen zwischen getragenen Tangos, grotesken Theater-Chansons und balkanischen Trauermärschen einzuspielen. Kammermusikalisch orchestriert, klingt es wie der sarkastische Abgesang von Schiffbrüchigen auf ein untergegangenes Stück Land.
Darko Rundek & Cargo Orkestar: Ruke: La Comédie de Sens (Piranha/Indigo)
Postkarte aus Jugoslawien
Als in Deutschland die „Neue Deutsche Welle“ ausgerufen wurde, grassierte etwas weiter im Süden die „Neue Jugoslawische Welle“. Beeinflusst von britischem Punk und Ska sorgten dort Bands mit seltsam klingenden Namen wie Idoli, Sarlo Akrobata oder Haustor für Furore. Von 1980 bis 1984 dauerte die Ära nach Titos Tod, dann legte sich der Aufbruch wieder.
Doch so nah am Westen fühlte man sich in Zagreb, Belgrad und Sarajewo seitdem nie wieder, und durch den Bürgerkrieg hat sich der gefühlte Abstand nur multipliziert. Nicht nur unter Jugendlichen in den diversen Teilrepubliken des ehemaligen Balkanstaats, auch im Exil lebt deshalb die Jugo-Nostalgie wieder auf: In Berlin etwa gibt es das jährliche „Balkan Black Box“-Festival und regelmäßige „Balkan Beat“-Partys, wo gern alte Schallplatten aus dem staatlichen „Jugotone“-Presswerk aufgelegt werden. Und in Düsseldorf formierte sich die Band Trovaci, um zwölf ihrer Lieblingshits aus jener Zeit neu einzuspielen.
Als Produzent konnte ein echter Veteran gewonnen werden: Vlada Divljan, einst Frontmann der Band Idoli. Er sorgt für den authentischen New-Wave-Sound, der zu den grobkörnigen Gitarrensongs von damals gehört wie der Schnaps zur namensgebenden „Balkanplatte“.
Trovaci: Balkanplatte (Jigit/Funkhaus Europa)
Im Untergrund von Bukarest
Das Wort Mahala stammt aus dem Arabischen und bedeutet so viel wie Stadtviertel. In Rumänien bezeichnet man damit abfällig die Vororte der Großstädte wie Bukarest, in denen seit Abschaffung der Sklaverei im 19. Jahrhundert viele Zigeuner siedelten.
Dort, in Nachtclubs und Kaschemmen, floriert der Untergrund der rumänischen Unterhaltungsmusik. Und an diesen Mikrokosmos knüpft die Compilation „Suburban Bucharest“ an. Das Cover-Artwork mit der fiedelnden Zigeuner-Band führt zwar etwas in die Irre, lässt es doch an ethnografische field recordings denken. Doch hinter den „Mahala Sounds from Romania“ verbirgt sich urbane Popmusik, die kommerziell höchst erfolgreich ist.
Manches davon, wie die Gipsy-Blaskapelle Fanfara Ciocarlia oder das Altmänner-Ensemble Taraf de Haidouks, sind spätestens durch den „Bucovina Club“ des Frankfurter DJs Shantel auch hierzulande sattsam bekannt. Andere, wie die Roma-Sängerin Romina Pucenau, sind selbst in Rumänien in Vergessenheit geraten. Und der mit Keyboard unterlegte Orient-Pop von Dan Armeanca oder Vasile Armeanca erinnert an den Sound moderner Restaurant-Bands, wie er auch auf vielen türkischen Hochzeiten erklingt: Davon hätte man gerne mehr gehört.
V. A.: Suburban Bucharest: Mahalla Sounds from Romania (Trikont)
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