Spektakulär, aber falsch

Stephen Hawking hat seine Theorie der Paralleluniversen revidiert. Schade eigentlich: Sie war so schön aufregend

Nichts ist für die Fantasie anregender als spekulative Naturwissenschaft. Je weiter das Objekt der Erforschung weg ist, je komplizierter und seriöser die Theorie daherkommt, desto größer die Neigung, auch großen Unsinn für bare Münze zu nehmen.

So war es auch mit den Paralleluniversen Stephen Hawkings. Dass für jeden Normalsterblichen eigentlich die ganze Theorie ein solches Paralleluniversum darstellt, war für Hawkings Bücher kein Hindernis. „Eine kurze Geschichte der Zeit“ (1988) erreichte weltweit Millionenauflagen. Zu dieser enormen Popularität trugen nicht nur der poetische Titel und Hawkings Lähmung bei, sondern auch die Legenden, die man sich über ihn erzählt. So soll er einst einer Sekretärin aus dem Gedächtnis 40 Seiten Gleichungen diktiert haben, um sie 24 Stunden später zu bitten, einen winzigen Fehler, den er dabei begangen hatte, zu korrigieren. Wie sollte so ein Genie irren?

Den Ausgangspunkt der Hawking’schen Forschung bildet seine (mit dem Mathematiker Penrose erarbeitete) Annahme, dass das Universum am zeitlichen Nullpunkt aus einer Singularität bestanden habe. Diese habe sich durch Expansion zum Universum vervielfältigt. Die allerschönste Idee Hawkings war allerdings lange Zeit die der Paralleluniversen, die sich hinter den Materie aufsaugenden schwarzen Löchern verbergen könnten. Das Prinzip: Eine Supernova-Explosion schafft eine schwarzes Loch mit unglaublich hoher Masse. Diese kontraktiert staubsaugermäßig alles in der Umgebung und schafft eine Raum-Zeit-Krümmung.

Was aber passiert mit all dem Sternenstaub, der in diesen Strudel gerät? Entweder er wird auf Milliardenstel Kubikmillimeter gepresst oder – noch schöner, spektakulärer, fantastischer – er wird durch ein so genanntes Wurmloch an einem ganz anderen Teil des Universums oder im Paralleluniversum wieder ausgespuckt. Die zweite Möglichkeit schließt der Meister seit Mittwoch nun auch offiziell selbst aus. Seinen Informationen zufolge gebe es keine Möglichkeit, durch schwarze Löcher in andere Universen zu reisen. Müssen jetzt die SF-Romane umgeschrieben werden? Löst sich der Hawking-Fanclub auf? Stürzen sich seine treuesten Anhänger scharenweise in schwarze Löcher? Wie warten jedenfalls ab, wo und in welcher Form sie wieder auftauchen. GUIDO KIRSTEN