Die Schotten sind dicht

Weil die besten Mannschaften bei der Rugby-Siebener-Europameisterschaft in Heidelberg fehlen, kann die deutsche Auswahl den vierten Platz belegen

HEIDELBERG taz ■ Als das Spiel um Platz drei vorbei war und somit auch schon Geschichte, gab es frenetischen Applaus auf der Tribüne im Fritz-Grunebaum-Sportpark. Zwar hatte die deutsche Siebener-Rugby-Auswahl von der RG Heidelberg um ihren Kapitän Steffen Thier ihren letztjährigen sensationellen dritten Platz bei dieser zweiten Europameisterschaft nicht verteidigen können, doch angesichts der vor ihnen platzierten Mannschaften konnten die Spieler von Trainer Rainer Kumm dennoch stolz sein auf ihre Leistung. Zumal: Im Halbfinale war der alte und neue Europameister Portugal Gegner gewesen, da darf man schon mal verlieren. Schließlich hatten sich die Portugiesen während des gesamten siebentägigen Turniers keine Blöße gegeben.

Auch Kay Kocher vom SC 02 Neuenheim, der seine internationale Karriere beendet hat und als Zuschauer dabei war, attestierte den Portugiesen „ein schön anzusehendes und erfolgreiches Siebener-Rugby“. Hinzu kam die größere internationale Erfahrung, die die Männer von der Iberischen Halbinsel nicht nur gegen die Deutschen ohne Gnade ausspielten. Mit ihren eng anliegenden und den Körper betonenden Trikots entzogen sich die Europameister immer wieder den Zugriffen ihrer Kontrahenten. „Mit Trikotziehen allein kann man die nicht schlagen“, spottete denn auch der Coach der Franzosen, Thierry Janeczek, über die Deutschen, die ihm als Finalgegner sicher lieber gewesen wären; die athletischen und spielerisch herausragenden Franzosen hätte dann wahrscheinlich das Turnier gewonnen.

Auch gegen Portugal gab Janeczek seinen Männern eine überaus optimistische 50:50-Chance, doch schon als der Schiedsrichter das Finale zur Halbzeit pfiff, führten die quirligen Portugiesen durch drei Versuche von Antonio Cunha, David Mateus und Nuno Carvalho bei zwei Erhöhungen des treffsicheren Pedro Fernandes bereits mit 19:0. Nichts war mehr zu sehen von den überfallartigen Vorstößen der jungen Franzosen Julien Saubade und Jerôme Serre von Olympique Biarritz, die im Halbfinale die verdutzten Georgier bereits in den Anfangsminuten überrumpelt hatten. Die Portugiesen mutierten geradezu zu „Portuwieseln“ und demonstrierten gegen die Franzosen Siebener-Rugby vom Feinsten. Ehe sich „Les Bleus“ im Klaren waren, wie ihnen da geschah, lagen sie auch schon hoffnungslos zurück. Am Schluss korrigierten sie zwar das Ergebnis auf erträgliche 21:26, eine Chance auf den Sieg aber hatten sie nie.

Alle jene, die – wie IOC-Präsident Jacques Rogge – bestrebt sind, das Siebener-Rugby im Jahr 2012 olympisch werden zu lassen, konnten in Heidelberg Pluspunkte und gute Argumente hierfür sammeln. Und das, obwohl die europäische Rugbywelt alles andere als in Ordnung ist. Schließlich verweigern sich traditionell die Engländer, Waliser und Iren, schickte Italien eine (zu) schwache Mannschaft in die Qualifikationsturniere und meldeten sich die Schotten gerade mal zwei Wochen vor dem Heidelberger Turnier aus mehr oder weniger fadenscheinigen Gründen ab, obwohl sie sich sportlich qualifiziert hatten. Dass Claus-Peter Bach vom Rugby-Verband Baden-Württemberg deshalb einen neuen Spielplan erstellen musste, war noch das kleinste Übel. Schlimmer ist die spürbare Arroganz der – mit Ausnahme Frankreichs – führenden europäischen Rugby-Nationen. Denn nicht nur im Siebener-Rugby, auch im traditionellen XVer sind wegen der großen Leistungsunterschiede die Schotten dicht für die Länder, die in Heidelberg am Start waren. Dabei preisen die Rugbysportler unentwegt die große Fairness und die rein sportliche Komponente bei ihrem Tun. Nach außen mag das alles stimmen, aber im Innenleben des europäischen Rugby ist vieles (noch) nicht in Ordnung.

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