Kulturhauptstädte
: Vielfältiger Kandidaten-Check

Durchgefallen: Lübeck hat laut 3sat-Kultur-TÜV keine Chance auf den Titel „Kulturhauptstadt Europas 2010. Anspruch des Bewerbungskonzeptes und Wirklichkeit des städtischen Kulturangebots klafften zu weit auseinander, urteilte die Crew vom Kulturellen Überwachungsverein des Fernsehsenders. Nichtsdestotrotz präsentierten die Lübecker gestern ihre Hauptstadtkonzeptionen bei einem groß angelegten diplomatischen Empfang im Rathaus.

Den Vertretern des Baltikums, Skandinaviens, Ungarns und der Türkei empfahl sich Lübeck als „Tor zum Ostseeraum“ und als „kultureller Marktplatz“, auf dem die durch die Trennung Europas „lange verschüttete Kultur in geballter Form zu erleben sein werde.“ Daneben war auch selbstbewusste Bescheidenheit zu vernehmen: „Wir sind stolz darauf, die Bewerberstadt mit dem geringsten Etat zu ein“, sagte Kampagnenleiter Holger Walter. In der Tat beschränken sich die diesbezüglichen Lübecker Mittel auf 200.000 Euro.

Nicht nur 3sat checkt und tüvt derzeit die zehn die deutschen Hauptstadtaspirantinnen, auch das „Institut für den Mittelstand in Lippe“ (IML) hat sich jetzt mit einer entsprechenden Studie zu Wort gemeldet. Ergebnis: Görlitz habe die besten Chancen, in zwei Jahren zur Siegerin gekürt zu werden. Möglicherweise hat zu dieser überraschenden Prognose ein gewisser Benjamin-Bonus der ostdeutschen Stadt beigetragen – den der Landkreis Lippe beinahe auch für sich selbst hätte in Anspruch nehmen können. Noch einen Tag vor Bewerbungsschluss hatte er sich spontan mit der Frage befasst, ob man nicht vielleicht selbst das Rennen machen könne. Nun aber bewertet man in Detmold doch lieber die anderen.

Dabei wurden auch durchaus harte Fakten ermittelt: Görlitz gebe „trotz schlechter Kennzahlen bei der Finanzkraft“ 8,3 Prozent seines Gesamthaushaltes für Kultur aus, die nordrhein-westfälische Konkurrentin Essen hingegen nur 3,4 Prozent. Andererseits: Görlitz sei 80 Kilometer vom nächsten Flughafen entfernt. Das führte zu Punktabzug.

Bremen wiederum glänzt offenbar gerade auf dem mobilen Sektor: „Bei der Bewertung der Verkehrsinfrastruktur halten die lippischen Wissenschaftler derzeit Bremen für führend“, meldet sogar die Nachrichtenagentur dpa. Ist die Hansestadt also ein ganz heißer Kandidat? Nur nicht zu früh gefreut: Kommenden Mittwoch (19.20 Uhr) wird der 3sat-Kultur-TÜV auch an der Weser zuschlagen.

Henning Bleyl