: Stadt sieht aus wie Stadt
Lagos, Dubai, London, Guangzhou: Die Ausstellung „True Cities“ mit Fotos der Künstlerin Charlie Koolhaas zeigt überraschend viele Ähnlichkeiten von vier Weltstädten. Aber wirklich erhellend ist ihre Methode leider nicht
Was ist der Unterschied zwischen der Farbe Grün in Lagos, Nigeria, und Grün in Dubai, jener utopischen Wüstenstadt in den Vereinigten Arabischen Emiraten? Die Antwort ist natürlich eher komplex als simpler Natur, gibt sie doch eine Künstlerin. Dennoch vermitteln die beiden Fotografien von Charlie Koolhaas – wie ihre anderen auch – eine eindeutige Botschaft: Die Motive sind Chiffren einer möglichen Verwandtschaft.
Während in Lagos der Wassertümpel unweit von Slums und informellen Arbeitsplätzen im Vordergrund des Bildes giftig-grün schimmert, zieht sich in Dubai ein dicker grüner Teppich quer über das halbe Foto. Er kreuzt den sauberen Sandstrand samt Liegen und fettig glänzenden Badegästen darüber. Die Bedeutung hat für Charlie Koolhaas ein Gleiches: In Lagos steht die Farbe für einen sozialen Prozess, der die Müllhalde, die pestizid- und acidhaltige Giftbrühe zum Endpunkt hat. In Dubai steht das Grün für das Ende des Ursprünglichen und den Beginn völliger Künstlichkeit sowie als Symbol für die totale Dominanz des Unnatürlichen. Ist das nicht auch zum Angst kriegen?
In der Architekturgalerie Aedes hängen derzeit mehr als 100 dieser großformatigen „Vergleichsfotos“ der englisch-niederländischen Soziologin und Künstlerin Koolhaas. Sie zeigen weiträumige Stadtansichten, aber auch Ausschnitte, Szenen und Interieurs derselben und behaupten abstrakte Beziehungen, analoge Zustände und Strukturen, die es zwischen Lagos und Dubai sowie London und Guangzhou gibt.
„True Cities“, nennt Koolhaas ihr Konzept, das zwar vier Weltstädte zeigt, die in ihrer geografischen, politischen und kulturellen Lage nicht unterschiedlicher sein könnten, aber im Grunde dieselben Gene aller heutigen Megacities in sich tragen: Ob wie hier in Dubai und Lagos oder an anderer Stelle in São Paulo, Schanghai oder Mexiko-Stadt, Mumbai oder Johannesburg, die Entwicklungen, Formen und Ausprägungen dieser globalen Metropolen ähneln sich immer mehr. Die „Wahrheit unterschiedlicher Städte“, könnte man mit Koolhaas sagen, liegt in ihrer Ähnlichkeit.
Natürlich stellt die Fotografin in ihren Bildern oft inszenierte Zusammenhänge her und erhebt gar keinen Anspruch auf objektive Dokumentation. Vielmehr geht es um ein fotografisch-urbanes Patchwork, um so das vielschichtige Bild einer komplexen, verwobenen Welt zu entwerfen. Verstärkt wird dieses Konzept der Künstlerin, die in London aufwuchs und heute in Guangzhou lebt, dadurch, dass die Serie aus über 100 Fotomotiven auf textilen Grund gedruckt ist. Sie hängen an den Galeriewänden wie Mustergardinen oder Poster an schwenkbaren Bügeln. Man kann sie durchblättern, wie ein Buch lesen oder vor- und zurückschwenken, so dass London oder Guangzhou, Lagos oder Dubai in eins fließen. Dergestalt entsteht der Eindruck, dass selbst zwei weit voneinander entfernte Vorstädte in ein und derselben Metropole zu finden seien. Ein Gleiches also.
Neu ist das alles nicht, weder der Form noch dem Inhalt nach. Die urbanen Analogien, die frühe Videoinstallationen schon zelebrierten und mittlerweile auf jeder Architekturbiennale zu sehen sind, gehören zwar zum soziokünstlerischen Programm, was auch Charlie Koolhaas im Sinn hat und bedient. Wirklich erhellend ist diese Methode aber nicht. Man kratzt mit den Vergleichen, Transformationen und Überschneidungen an der Oberfläche der Phänomene von Städten. Zu wirklichem Tiefgang reicht es nicht. Auch nicht, wenn man dies wie Koolhaas „True Cities“ nennt. ROLF LAUTENSCHLÄGER
Noch bis zum 26. März bei Aedes am Savignyplatz
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