: Klammer Club in Seenot
Mainz 05 setzt sich im Zweitliga-Spitzenspiel 2:1 gegen den 1. FC Nürnberg durch und steht schon dort, wo man am Saisonende landen möchte: Rang zwei. Die Franken dagegen haben Sorgen
aus Mainz TOBIAS SCHÄCHTER
Einer fehlte: Präsident Michael Adolf Roth erlebte die erste Niederlage seines 1. FC Nürnberg in der zweiten Liga nicht vor Ort. Der weißbärtige Teppichhändler urlaubt am Gardasee und trat letzte Woche die Reise nach Italien mit einem bunten Strauß von Fragezeichen im Gepäck an. Ist trotz der Hitze und der langen Dürre genug Wasser im See? 1,20 Meter nur soll der Gardasee in Strandnähe tief gewesen sein. Zu wenig, um sein großes Boot zu Wasser zu lassen, orakelte der nur knapp 1,60 m kleine Mann, der sich im deutschen Fußball fleißig einen Namen als fröhlicher Trainerentlasser gemacht hat. Ob der Franken-Napoleon nun von der 1:2 Niederlage des Clubs am Montag in Mainz auf dem Gardasee schippernd erfahren hat oder nicht, ändert nichts daran, dass das Club-Schiff in naher Zukunft in unsicheren Gewässern segelt.
Und dies, obwohl in Mainz zunächst einmal alle Clubberer stolz waren. Trainer Wolfgang Wolf: „Das war die beste Saisonleistung.“ Doch kaum dass den gebeutelten Fans endlich mal wieder ansehnlicher Fußball geboten wurde, kam am Ende nichts heraus. Immerhin: Die 1.500 mitgereisten Fans der Rot-Schwarzen feierten ihre Mannschaft nach dem Schlusspfiff. Das Klima hat sich gewandelt.
Geschuldet ist dies Wolfgang Wolf. Der Pfälzer identifiziert sich mit seiner Aufgabe, den neunmaligen Deutschen Meister wieder in die Beletage des deutschen Fußballs zu hieven. Wolf ist so etwas wie die Fleisch gewordene ehrliche Arbeit. Er ist mit seiner Familie in die Stadt an der Noris gezogen. Das kommt gut an in Franken, zumal Vorgänger Augenthaler sich nie zu diesem Schritt entschließen konnte. Es gibt auch viel zu tun für den 45-Jährigen am Valznerweiher, ist er doch Trainer und Manager in Personalunion. Und Wolf sieht Handlungsbedarf: „Wir werden noch einen Stürmer verpflichten. Uns fehlt einer, der den gegnerischen Abwehrspielern auch mal wehtut.“ Sasa Ciric jedenfalls, dies zeigte das Spitzenspiel vor 18.400 im Spektakulum Bruchwegstadion, steht vor seiner letzten Serie. Obwohl: Sein Hackentrick in der 34. Minute war allererste Sahne, fand leider aber den Gegner und erlaubte diesem einen Konter, der am Ende zu einem Freistoßtor von Antonia da Silva führte. „Bis dahin hat Mainz doch gar nicht existiert“, haderte Wolf über den Fauxpas des Mazedoniers.
Stark beim FCN: das Mittelfeld. Jacek Krzynowek und David Jarolim spielten ihre technischen Fähigkeiten aus. Doch wie lange noch? Der klamme Traditionsclub badet in vier Millionen Euro Schulden. Die beiden Besten stehen nach der Saison schon bei anderen Vereinen unter Vertrag: Jarolim beim HSV, Krzynowek in Leverkusen. Der Ablösepoker über einen vorzeitigen Abgang ist in vollem Gange. Bis zum 31. August sind Wechsel noch möglich. Jarolim behauptet, über den Stand der Verhandlungen „keine Ahnung“ zu haben, versichert aber, er könne mit beiden Möglichkeiten leben. Krzynowek wich den Fragen nach seiner Zukunft genau so wortlos aus, wie er zuvor einen Elfmeter in der 57. Minute zum 1:2 unter die Latte drosch. Nürnberg ohne seine beiden Besten? Der angepeilte Aufstieg wäre für die Franken plötzlich so weit weg wie Bochum von der Champions League. Aber Wolf gibt sich trotzdem optimistisch: „Wenn die beiden uns verlassen, werden wir eine Antwort finden.“ Zur Not wird eben der reiche Club-Fürst Michael A. Roth helfen, so er den ungestrandet aus „Idalien“ zurückkehrt.
Beim Sieger aus der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt feierten sie sich mal wieder in Karnevalsstimmung. „Jetzt stehen wir auf Platz zwei. Dort wollen wir auch am Schluss stehen“, jubelte der Torschütze zum 2:0 Michael Thurk. Helau! Und Jürgen Klopp, der Trotzklopp und Magier des erfolgreichen Scheiterns, lobte seine Mannschaft, die kämpferisch ans Limit gegangen war, nicht ohne Ironie: „Ich denke, dass wir auch in diesem Jahr das eine oder andere Spiel gewinnen werden.“ Narhallamarsch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen