Verdienen diese Herren zu viel?

„Es ist eine Schnapsidee, die Höhe der Gehälter gesetzlich zu regeln.“(Michael Rogowski, Präsident des BDI)

Sorry, aber in diesem Fall haben die Wirtschaftsbosse recht. Denn über Managergehälter mag man sich empören, wie man will: Sie gesetzlich zu begrenzen würde nicht funktionieren. Will man neben jeden Manager einen Aufpasser stellen, der die Einhaltung des Gesetzes überwacht? Menschen sind erfinderisch. Die Anteile der Gehälter, die das gesetzliche Höchstmaß überschreiten, würden umdeklariert werden. Sie würden nicht Gehalt heißen, sondern Erfolgspauschalen. Oder Einmalzahlungen. Jedes Mal müsste die Finanzbehörde prüfen, ob das anerkannt werden kann.

Nicht allein dass die zusätzlichen Dienstellen wohl nicht zu finanzieren seien. Zusatzbestimmungen, Ausnahmen und Härtefälle würden schnell eine gesetzliche Regelung durchlöchern. Gesetze haben nur Sinn, wenn ihre Einhaltung überwacht werden kann. Bei einem Gesetz für Höchstlöhne wäre das nicht der Fall. Außerdem: Kann man solche Regelungen auch tatsächlich wollen? Nein. Man möchte nicht allzu lange darauf herumreiten, aber es hat hierzulande schon ein großes Experiment gegeben, die Wirtschaft vom Staat aus zu steuern. Dieses Experiment, die DDR, ist gescheitert. Vor allem daran, dass eine umfassende Steuerung der Wirtschaft nicht die Flexibilität gewährleistet, die zur Herstellung zeitgemäßer Produkte nötig ist.

Deshalb: Der Staat möge sich um die Rahmenbedingungen kümmern, sich in die Abläufe der Wirtschaft aber nicht einmischen. Es gibt andere Möglichkeiten, Manager zu einem günstigeren Preis-Leistungs-Verhältnis zu bewegen: bessere Kontrollen durch die Aktionäre und die Beförderung einer Unternehmenskultur, die hohe Gehälter an hohe Leistungen knüpft. DIRK KNIPPHALS

„Manche der heutigen Gehälter sind unmoralisch hoch und ethisch nicht mehr begründbar.“ (Edzard Reuter, ehemaliger Daimler-Benz-Vorstandschef)

Das Spiel mit der Moral ist kein einfaches. Wer es spielt, der droht sich reichlich in Paradoxien zu verstricken. In der Diskussion um Managergehälter lässt sich das durchdeklinieren. Macht es – moralisch gesehen – einen Unterschied, ob ein Manager wie Jürgen Schrempp 100-mal so viel verdient wie ein Arbeiter oder 500-mal so viel? Wäre also Schrempp II unmoralischer als Schrempp I? So gesehen müsste man ja sagen, Schrempp wäre der Ausbund von Moral, wenn er genauso viel verdienen würde wie der Arbeiter.

Mit Moral zu kommen hilft also wenig in dieser Diskussion. Oder, wie das Niklas Luhmann formulierte: „Den Moralisten fällt es ja nicht schwer, ihre Meinungen zu begründen. Wenn man sie zu belehren versucht, gerät man mit ihnen in Streit.“ Gleichwohl lohnt der Griff in die Bibliothek der Moralphilosophie. Zum Beispiel zu John Rawls’ „Theorie der Gerechtigkeit“. Ein Angriff auf den vorherrschenden Utilitarismus – ohne egalitaristische Züge. Denn John Rawls lässt Ungleichheit als Ordnungsprinzip durchaus zu: „Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten sind so zu gestalten, dass vernünftigerweise zu erwarten ist, dass sie zu jedermanns Vorteil dienen.“

Wie ist das nun im Fall Schrempp – bezogen auf die DaimlerChrysler-Gesellschaft? Wären seine Vorteile (Grundgehalt, Aktienpaket, -optionen) verbunden etwa mit Arbeitsplatzverlusten der Arbeiter, dann wäre das tatsächlich „ethisch nicht begründbar“. In der Praxis unterscheiden aber selbst Gewerkschaftsfunktionäre zwischen „Tariflohn“ und „Daimler-Lohn“. Es ist also nicht unbedingt ungerecht, bei DaimlerChrysler unter Schrempp zu arbeiten. THILO KNOTT

„Die Bezüge sind oft nicht nur überdimensioniert, sie sind auch unabhängig von jeglicher Leistung.“

(US-Unternehmensberater Graef Crystal über die Gehälter amerikanischer Manager)

Geht es nach so manchem Manager, sind die Vorstandsbezüge in Deutschland eher zu niedrig als zu hoch. Im Ausland, heißt es – gemeint sind die USA –, verdienten die Cehfs viel mehr. Das stimmt. Der zurückgetretene Citigroup-Chef Sandy Weill strich letztes Jahr 44 Millionen Dollar ein, der Vorstandschef des Softwareriesen Oracle brachte es 2001 dank Aktienoptionen auch schon auf 706 Millionen. Was sind da 7,6 Millionen Euro, mit denen letztes Jahr DaimlerChrysler-Chef Schrempp vorlieb nehmen musste? Peanuts.

Ob Konzernlenker wirklich so viel verdienen, wie sie sich genehmigen, ist auch in den USA nicht unumstritten. Microsoft-Chef Steve Ballmer oder Amazon-Chef Jeff Bezos beziehen deutlich weniger als eine Million im Jahr – und stehen erfolgreichen Unternehmen vor. Der Daimler-Aktienkurs ist seit der Fusion mit Chrysler 1998 um rund die Hälfte geschrumpft.

Dem Ruf nach Verzicht sehen sich aus US-Chefs gelegentlich ausgesetzt – insbesondere nach den Skandalen der vergangenen Jahre von Enron bis WorldCom. Dank ihrer erfolgsabhängigen Vergütung hatten die Manager ein deutliches Interesse daran, die Bilanzen ihrer Firmen aufzublasen.

Die Manager saßen damals die Kritik einfach aus. Jetzt steigen die Vorstandsbezüge wieder – 2003 um 9,3 Prozent, wie das US-amerikanische Magazin Business Week ausgerechnet hat –, die Löhne der Arbeiter schrumpften. Der durchschnittliche Konzernchef in den USA verdient inzwischen laut einer Gewerkschaftsuntersuchung das 480fache eines seiner Arbeiter. Sagte jemand „verdient“? NICOLA LIEBERT

„The winner takes it all“
(Abba)

Keine Frage, Schrempp und Co verdienen sehr viel Geld. Aber gegen die Einnahmen der Superstars aus der Unterhaltungsbranche und dem Sport sind das vergleichsweise kleine Beträge. Warum bleibt die breite Empörung aus, wenn Schumi schätzungsweise 80 Millionen Euro verdient? Und warum hinterfragt niemand die 17 Millionen Dollar, die Julia Roberts für einen Film einnimmt. Auch ein Mann mit geringerem Glamourfaktor wie Günther Jauch nimmt 80.000 Euro, wenn er zu einer Party kommen soll.

Warum stört uns das nicht wirklich? Aus zwei Gründen: weil sie UNS nichts kosten, wenn wir es so wollen. Und wenn wir eine Kinokarte oder ein Magazin kaufen oder den Fernseher einschalten, bekommen wir sofort etwas dafür. Einen Film zum Lachen, ein atemberaubendes Werbefoto – Spielplätze für Gefühle. Kurzum, sie unterhalten uns. Wir haben Macht, sie in unser Leben zu lassen oder nicht. Vorstandsvorsitzende hingegen sind Teil unserer Arbeitswelt. Sie sind potenzielle Zeitklauer und Stressmacher, beschneiden täglich unsere Selbstbestimmung und lassen sich das auch noch bezahlen aus dem Firmenvermögen, das wir mit verdienen.

Doch egal ob Manager, Model oder Megasportler – die Erkenntnis, dass irgendetwas bei den Topverdienern besser gelaufen sein muss als bei unsereinem, nagt. Im besten Fall bringen sie bessere Leistung. Manchmal sind sie auch nur hübscher, skrupelloser, können besser verhandeln, oder sie hatten einfach mehr Glück. Wie auch immer, sie haben gewonnen und nehmen sich das größte Stück von dem Kuchen, das sie kriegen können. Wir finden es unglaublich und lassen es dennoch zu. Sie haben wohl doch mehr Hunger als wir … STEPHAN KOSC

„Gewinnmaximierung zum Hauptziel […] zu erklären bedeutet die Verletzung der ethischen Pflichten des Unternehmers.“
(Ludwig Poullain, ehem. Chef der Westdeutschen Landesbank)

Wenigstens ein echter Unternehmer tritt gelegentlich noch im Fernsehen auf – Wolfgang Grupp aus Burladingen, der im Werbespot verspricht, nur in Deutschland zu produzieren. Der Mann wäre erledigt, wenn er sein Werk nach Rumänien verlagerte. Jürgen Schrempp ist da aus anderem Holz. Wäre er einer wie Grupp, wäre er mindestens zweimal pleite: 1995 mit den Verlusten beim Flugzeugbauer Fokker und in diesem Jahr bei Mitsubishi. Doch Schrempp ist weder pleite noch bei DaimlerChrysler gefeuert – im Gegenteil: Im Moment der Mitsubishi-Krise wurde seine Vertrag vorfristig verlängert.

Ludwig Poullain klagte in Bezug auf die Banken unlängst in der FAZ, dass bei ständig wechselnden Strategien sowohl Stetigkeit und Sicherheit als auch die Identität des Unternehmens verloren gingen. Stetigkeit wird heute vor allem vom Aktienkurs verlangt. Manager werden gefeuert oder ziehen bei besserem Angebot weiter – in eine andere Branche (wie der Ex-Heidelberger-Druck-Chef Hartmut Mehdorn zur BahnAG) oder tauchen bei der Konkurrenz auf (wie Ex-BMW-Vorstand Bernd Pischetsrieder bei VW). Gewinnmaximierung ist längst zum Hauptziel geworden.

Es gibt sie zwar, die Unternehmer alten Schlages, die in der dritten Generation mittelständische Firmen leiten. Doch die global agierenden Unternehmen haben umgeschaltet: Aus den Bankiers sind Banker geworden, aus den Kaufmännern Sales Manager, und aus den Unternehmern sind Chief Executive Officers (CEO) geworden. Und die handeln in eigener Sache satte Verträge aus – wie sie es gelernt haben.

THOMAS GERLACH