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Man hört von hoher Reststrahlung

betr.: „Widerstand in Ostwestfalen. Augustdörfer gegen Kampfdörfer“, taz vom 13. 2. 09

Schön, dass Sie darüber berichten. Das Ganze ist aber nach meinen Erfahrungen noch vielschichtiger. Zum einen gibt es nach meiner Kenntnis mindestens ein Kampfdorf in der Senne und zwar im Bereich der Wistinghauser Senne. Hier mussten extra Teile des Guts Wistinghausen und angrenzende Wohnhäuser geräumt werden. Soweit ich weiß, sind dort britische Spezialeinheiten auf Einsätze in Nordirland vorbereitet und laut Erzählungen von Soldaten auch Mitglieder der paramilitärischen protestantischen Einheiten ausgebildet worden. Das ist jedoch nur vom Hörensagen.

Fakten sind folgende: Die britischen Soldaten haben sich im Verlauf der letzten 30 Jahre einen Dreck um deutsche Gesetze gekümmert. Wie oft bin ich bei meinen Mountainbiketouren im an die Senne angrenzenden Teutoburger Wald auf einen britischen MG-Posten oder gar einen Panzer gestoßen, mitten im Naturschutzgebiet und häufig exakt neben oder gegenüber einem „Out of bounds to all military vehicles“-Schildes.

Ein anderer Aspekt ist noch viel fataler: Die Häufung von Tumorerkrankungen rund um den Truppenübungsplatz. Meine Familie ist hier selbst betroffen. Teile Augustdorfs und Hörstes befanden sich zu Zeiten des Kalten Kriegs in einer Einflugschneise britischer Kampfjets. So auch mein Elternhaus. Von Ramstein und Umgebung wissen wir von einer extrem hohen Tumorrate im Umland (insbesondere dank Berichten der taz). Ebenso wissen wir, dass die US Air Force nukleare Partikel als Brandbeschleuniger in den Nachbrennern ihrer Kampfjets verwendete.

Ich denke, das trifft auch für Jets der Royal Air Force zu. Um Augustdorf waren hauptsächlich Harrier und Buccaneer ohne Nachbrenner stationiert, jedoch waren in Detmold und Paderborn ebenso Tornados und Phantom stationiert. Auch hier konnte ich als Kind einen krassen Unterschied zwischen deutschen Jets und denen der Briten feststellen. Im Tiefflug hielten sich die wenigen deutschen brav an die später eingeführte Mindesthöhe von 120 Metern, die Briten kümmerte das nicht im Geringsten, oft konnte ich sogar Gesichtskonturen in den Jets über unserem Haus erkennen, vom unglaublichen Lärm mal ganz abgesehen.

Spätestens seit dem letzten Irakkrieg wissen wir, dass die Royal Army sogenannte Nukleargranaten einsetzte, um feindliche Panzer auszuschalten. In der Augustdorfer Senne hat sie oft scharfe Übungen abgehalten. Zu der von Ihnen erwähnten Gemeinde Schlangen gibt es noch etwas Interessantes zu sagen: Ein Teil des Velmerstot, jenes kleinen Bergkamms, der quasi den Anfang des Teutoburger Waldes bildet, war früher Lagerstätte von ABC-Waffen der Royal Army, zudem war hier eine Abschussvorrichtung für Interkontinentalraketen postiert. Obwohl das Gelände längst geräumt ist und sich heute in den Händen des Nabu befindet, hört man immer wieder von hoher Reststrahlung. Einer meiner Schulfreunde starb an Leukämie, sein Haus lag wie unseres in einer der Einflugschneisen. Der Bademeister unseres Dorffreibads, ein Marathonläufer, starb an einem Hirntumor. Oft traf ich ihn auf meinen Mountainbiketouren am Rand der Senne. CHRISTIAN PETER OEHMICHEN, Karlsruhe

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